"Geistige Revolution": Lugar führt Stronachs letztes Aufgebot an

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Waltraud Dietrich übergibt an Robert Lugar. Der neue Klubchef will nun zurück zu den Anfängen, in die – populistischere – Vor-Nachbaur-Ära.

Wien. Er ist wieder da. Nicht ganz vorn zwar, denn neben Frank Stronach darf niemand stehen. Aber in der zweiten Reihe, gleich hinter dem „großen Spiritus Rector“, wie er den Parteigründer in fast schon religiöser Verehrung nannte. Dort, im Windschatten der Macht, fühlt sich Robert Lugar am wohlsten.

Seit Dienstag darf der 45-Jährige also wieder Klubobmann spielen und Frank Stronachs letztes Aufgebot anführen. In der Pressekonferenz nach der Klubsitzung übergab Waltraud Dietrich ihrem Nachfolger und Vorvorgänger – dazwischen war Kathrin Nachbaur Klubchefin – das passende Symbol, einen Wanderrucksack mit Österreich-Fahne. „Heute ist ein schöner Tag, weil ich eine Last abgeben darf“, sagte Dietrich, um sich dann an Lugar zu wenden: „Trage diese Bürde mit Würde.“ Schöner kann man nicht ausdrücken, wie es um diese Partei bestellt ist.

Nach den Abgeordneten Marcus Franz und Georg Vetter hatten sich am Samstag auch Kathrin Nachbaur und Rouven Ertlschweiger in Richtung ÖVP verabschiedet. Das Stronach-Lager schrumpfte auf sieben Mandatare zusammen, sodass es nun den kleinsten Klub bildet. Die nächstgrößeren Neos haben neun Sitze. Dietrich entschuldigte sich nicht nur bei den Wählern, sondern auch bei den Wahlhelfern: Auch sie seien von jenen, die für Veränderung angetreten waren, um dann ausgerechnet zur Regierungspartei ÖVP zu wechseln, betrogen worden.

Lugar wollte danach lieber nicht über Vergangenes sprechen. Womöglich hatte er gute Gründe. Man sagt, Nachbaur hätte die Partei seinetwegen verlassen. Sie habe unter einem Klubchef Lugar nicht arbeiten wollen.

Mit Partei- und Klubwechseln kennt sich Robert Lugar jedenfalls aus. Eine gewisse Wendigkeit scheint Teil seiner Persönlichkeitsstruktur zu sein. Begonnen hat er in der FPÖ, weil er von Jörg Haider begeistert war. Ihm folgte Lugar ins BZÖ. 2008 kam er in den Nationalrat. Dann wollte er mehr. Zum Zerwürfnis mit Haiders Nachfolger Josef Bucher kam es, als Lugar nicht Generalsekretär des BZÖ wurde. Bucher hatte den Posten nach Christian Ebners Rückzug einfach eingespart.

Der enttäuschte Lugar ging. Wurde wilder Abgeordneter. Und sah seine Chance kommen, als Stronach eine Partei gründen wollte. Von November 2012 bis Oktober 2013 war Lugar dann Klubchef des Teams Stronach, mitunter ein sehr ungestümer: Er erklärte die Gewerkschaften für überflüssig und Monika Lindner „zur Speerspitze gegen ORF, Erwin Pröll und Raiffeisen“, woraufhin die frühere ORF-Generaldirektorin ihre Kandidatur zurückzog. Stronach verlor das Vertrauen in Lugar und übergab den Klub nach der Wahl an Kathrin Nachbaur, seine engste Mitarbeiterin.

Wie sich die Zeiten ändern: Der neue Klubchef will nun zurück zu den Anfängen, in die – populistischere – Vor-Nachbaur-Ära. Die Partei brauche eine Rückbesinnung „auf die geistige Revolution des Frank Stronach“. Forderungen wie die Mitarbeiterbeteiligung oder ein einfaches Steuersystem müssten wieder propagiert werden. Das habe man zwischenzeitlich verabsäumt. „Deshalb sind uns auch die Wähler abhandengekommen.“

Stronach bricht Haiders Rekord

Frank Stronach, der am Montag beim ORF-„Sommergespräch“ mit 822.000 Zusehern Jörg Haiders Rekord aus dem Jahr 1994 (807.000 Seher) gebrochen hatte, hörte das gern. Er dankte Dietrich und Lugar, ehe er zu einem Weltverbesserungsmonolog ansetzte. Die Medienvertreter bekamen ein Best-of aus seinem Lebenslauf serviert, garniert mit stammtischphilosophischen und ökonomischen Weisheiten („Wenn die Wirtschaft nicht funktioniert, funktioniert gar nichts“).

Ans Aufgeben denkt Stronach nicht. Er bleibe Parteichef, „solange es nötig ist“. Es gelte jetzt, das Team Stronach zu festigen. Und eine Politik zu machen, „die die Menschen berührt“. Die Landtagswahlen in Oberösterreich und Wien lässt man allerdings aus. Leo Steinbichler, der schon in der ÖVP und bei Fritz Dinkhauser war, wird in Oberösterreich mit einer eigenen Liste antreten, ohne den Namen Stronach und dessen Geld. Dem Parlamentsklub bleibt Steinbichler nach eigenen Angaben aber erhalten. Ganz sicher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2015)

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