Deutschland: Der Ermittler als Bauernopfer?

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Mit der Entlassung des Generalbundesanwalts ist die Affäre rund um den Netzpolitik-Blog noch nicht beendet.

Wien/Berlin. „Wir haben Post vom Generalbundesanwalt erhalten.“ Ende Juli berichten die zwei Journalisten, die den Blog netzpolitik.org betreiben, auf ihrer Internetseite von diesem Brief, mit dem die beiden über Ermittlungen gegen sie informiert werden – „wegen Verdachts des Landesverrats“. Jener Generalbundesanwalt, Harald Range, musste am Dienstag seinen Posten räumen. Es ist das vorläufige Ende eines „Kleinkriegs“, wie es in deutschen Medien heißt, zwischen dem Bundesjustizministerium und dem Generalbundesanwalt. Range wurde von Justizminister Heiko Maas (SPD) in den Ruhestand versetzt. Doch damit ist das heillose Durcheinander im Netzpolitik-Fall nicht gelöst.

Die Ermittlungen gegen die zwei Journalisten wurden eingeleitet, als im April auf netzpolitik.org brisante Dokumente veröffentlicht wurden. Darin wurde von Plänen berichtet, wie der Verfassungsschutz die Internet-Überwachung mit einer neuen Einheit ausbauen will; von „Massendatenauswertung“ war die Rede. Auf der Webseite der Blogger werden die Pläne detailreich und übersichtlich dargestellt, woraufhin der Verfassungsschutz eine Anzeige erstattet und die Causa weiter an den Generalbundesanwalt nach Karlsruhe übermittelt. Während die Ermittlungen eingeleitet werden, muss Range klären, ob es sich bei den Veröffentlichungen um Staatsgeheimnisse handelt. Ein bestelltes externes Gutachten sollte allerdings vom Justizministerium gestoppt werden, woraufhin Range öffentlich der Kragen platzt: Er kritisiert Maas scharf, der wiederum sieht das Verhältnis zu Range „nachhaltig gestört“. Aus dem Justizministerium heißt es, dass es eine derartige Weisung zum Stopp gar nicht gegeben habe. Ranges Entlassung wurde jedenfalls mit Bundeskanzlerin Angela Merkel abgesprochen, die Maas in der Sache unterstützt.

Nun wird Range als Bauernopfer gesehen, von der Opposition und selbst von den Betreibern des Blogs. Deren Chefredakteur Markus Beckendahl begrüßte zwar Ranges Entlassung, „aber der eigentlich Verantwortliche ist Verfassungsschutzpräsident (Hans-Georg, Anm.) Maaßen, der das alles in die Wege geleitet hat.“ Maaßens Rolle in der Affäre soll aufgeklärt werden, die Linke fordert gar seinen Rücktritt. Auch die Köpfe der handelnden Ministerien, Justizminister Maas sowie Innenminister Thomas de Maizière (CDU), stehen in der Kritik. Letzterer ließ mitteilen, dass er von der Causa nichts gewusst habe, wiewohl er dem Verfassungsschutz vorsteht. Die Affäre sei jedenfalls noch lange nicht am Ende, heißt es vonseiten den Grünen.

Kritik wegen NSA-Affäre

Ermittlungen gegen Journalisten sind freilich eine heikle Sache, nicht zuletzt deswegen hatte das Justizministerium keine Freude mit der Netzpolitik-Causa, wiewohl das Ministerium über die wichtigen Schritte der Karlsruher informiert gewesen sein dürfte. Ob die Veröffentlichungen nun tatsächlich Staatsgeheimnis sind oder nicht, konnte unterdessen nicht geklärt werden; Range ging wohl davon aus, dass sie es waren. Die Ermittlungen gegen die Blogger werden fortgesetzt.

Harald Range, FDP-Mitglied, ist zuletzt aufgrund der NSA-Affäre in die Kritik geraten, da er die Ermittlungen gegen den amerikanischen Geheimdienst aufgrund Beweismangel einstellen ließ. Seine Nachfolge soll der erst 46-jährige Peter Frank antreten, der jüngst zum Münchner Generalstaatsanwalt ernannt wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2015)

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