Hans Niessl: Der rote Nonkonformist

PK SPOe BURGENLAND NACH DEM LANDESPARTEIVORSTAND: NIESSL (SPOe)
PK SPOe BURGENLAND NACH DEM LANDESPARTEIVORSTAND: NIESSL (SPOe)APA/HELMUT FOHRINGER
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Der Burgenländer Hans Niessl hat seine Rolle gefunden: Er macht konsequent gegen den SPÖ-Mainstream Politik. Dafür muss er sich nicht einmal verstellen.

Eisenstadt/Wien. Es gab Zeiten, da waren Interviews mit Hans Niessl erwartbar und deshalb – nennen wir es beim Namen – langweilig. Das hat sich grundlegend geändert, wie sich am Donnerstag wieder einmal gezeigt hat. Als Studiogast in der „ZiB 2“ schloss der Landeshauptmann nicht aus, dass es im Burgenland zu einer Volksbefragung über die asylpolitischen Pläne der Bundesregierung kommen könne. Die Idee dazu stammt von der FPÖ, Niessls Koalitionspartner im Land.

Es geht um die Frage, ob das Innenministerium per Verfassungsänderung ermächtigt werden soll, Flüchtlinge ohne Zustimmung der Bürgermeister in Gemeinden unterzubringen. Das sei ein schwerer Eingriff in die Autonomie der Kommunen, kritisierte der burgenländische Landeshauptmann, während alle seine Amtskollegen dafür sind.

Nach fast 15 Jahren im Amt hat Hans Niessl seine Rolle auf der innenpolitischen Bühne gefunden: die des sozialdemokratischen Nonkonformisten. Nachdem er seine Politik früher meist artig an der Linie der Bundespartei ausgerichtet hatte, wechselte er im vergangenen Jahr mehr und mehr auf die Seite des Anti-Mainstreams. Dort scheint er sich nun immer wohler zu fühlen. Dass es auch mehr Publicity gibt, wenn man in der eigenen Partei gegen den Strich bürstet, könnte ein weiteres Argument dafür sein.
Dabei musste sich der spätberufene Revoluzzer nicht einmal verstellen. Gesellschaftspolitisch steht Niessl im allgemeinen Kontinuum rechts der Mitte, in jenem der SPÖ sogar rechts außen. Nach den Anschlägen in Paris zu Jahresbeginn forderte er im Chor mit Franz Voves Strafen für Integrationsverweigerer. Im Frühjahr revidierte er dann seine Position zur Steuerhoheit der Bundesländer, indem er sich, als erster Landeshauptmann der SPÖ, gesprächsbereit über diesen ÖVP-Vorschlag zeigte. Beides zum Leidwesen Werner Faymanns.

SPÖ gegen Volksbefragung

Auch zum Populismus hat Niessl ein relativ entspanntes Verhältnis: Im Landtagswahlkampf versprach er, burgenländische Betriebe bei der Auftragsvergabe und Burgenländer auf Jobsuche zu bevorzugen. Wie er das, unter kreativer Auslegung des EU-Rechts, bewerkstelligen will, hat er bislang geheim gehalten.

Zu einer Koalition mit der FPÖ war es da kein großer Schritt mehr (obwohl Niessl lieber mit der ÖVP weitergemacht hätte, aber sie wollte auch mit den Freiheitlichen). Einträchtig sprechen sich der Landeshauptmann und sein neuer Stellvertreter, Hans Tschürtz, nun für einen Assistenzeinsatz des Bundesheeres aus. Dieses Mal sollen die Soldaten nicht an die Grenze, sondern die Polizei beim Transport und bei der Betreuung von Flüchtlingen unterstützen. Dadurch hätte die Exekutive wieder mehr Spielraum für Kontrollen an der Grenze.

Diesem Vorschlag können zumindest Teile der SPÖ – darunter der Wiener Bürgermeister, Michael Häupl – etwas abgewinnen. Den anderen lehnt man rundum ab: Er halte nichts von einer Volksbefragung zur Reform des Asylwesens, sagte Häupl am Freitag. Niessl habe den Fehler gemacht, in eine Koalition mit der FPÖ zu gehen. „Ich hoffe, er wird nicht angesteckt.“

Das ist, aus freiheitlicher Sicht, gar nicht nötig. Denn der Landeshauptmann ließ die Burgenländer schon einmal über eine asylpolitische Frage entscheiden. 2010 wollte die damalige Innenministerin, Maria Fekter, ein Erstaufnahmezentrum im südburgenländischen Eberau errichten. Niessl nahm das Duell im beginnenden Landtagswahlkampf dankbar an und stilisierte die ÖVP-Politikerin zur gemeinsamen Außenfeindin des Landes hoch. Mit Erfolg: 90 Prozent sprachen sich gegen das Asylzentrum in Eberau aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2015)

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