Der Milliardär hat bei der Diskussion mit anderen Kandidaten nicht ausgeschlossen, als Unabhängiger zu kandidieren.
Im Grunde genommen konnte man es nicht als Debatte bezeichnen, was der TV-Sender Fox News am Donnerstag von 17 bis 23 Uhr in einer Sportarena in der Stadt Cleveland, Ohio, inszenierte. Die 17 Anwärter, die als republikanischer Kandidat für die US-Präsidentenwahl im kommenden Jahr nominiert werden wollen, wurden entsprechend ihres Abschneidens in Meinungsumfragen in zwei Gruppen geteilt – ein Streitgespräch entwickelte sich nicht. Die 16 Herren und eine Dame bekamen von den Moderatoren Fragen zugeworfen, für deren Beantwortung sie nur eine Minute Zeit hatten. Tiefgang oder Differenzierung im Umgang mit den Hauptthemen illegale Einwanderung, Terror, Abtreibung und Wirtschaft konnte man so nicht erwarten.
Den größten Nachrichtenwert dieses Abends hatte die Weigerung Donald Trumps, einer Kandidatur als unabhängiger Kandidat abzuschwören, sollte er nicht von der republikanischen Partei nominiert werden: „Warum sollte ich mir dieses Druckmittel selbst nehmen?“ Der New Yorker Bauunternehmer gab sich sonst vergleichsweise zahm, auch wenn er mit Anwürfen gegen An- und Abwesende den Gutteil des Publikums auf seiner Seite hatte. Er habe in der klaren Erwartung von Gegenleistung vielen Politikern Geld gegeben, diese Erwartung sei nie enttäuscht worden. „Ich habe Hillary Clinton gesagt: Komm zu meiner Hochzeit, und sie kam. Sie hatte keine andere Wahl.“ Clintons Pressesprecherin Jen Palmieri beeilte sich noch während der Debatte, dem eine lakonische Widerrede entgegenzusetzen: „Das verletzt ihre Gefühle. Ist das der einzige Grund dafür, dass er sie eingeladen hat?“
Fiorina sammelt Sympathiepunkte
Ansonsten wiederholte Trump seine Behauptung, dass die mexikanische Regierung absichtlich Verbrecher in die USA schicke: „Wir müssen eine Mauer bauen, um die Illegalen draußen zu halten. Die mexikanische Regierung ist klüger und hinterlistiger als die dummen amerikanischen Politiker. Die schicken uns nur die Schlechten herüber.“
Carly Fiorina, die einzige Kandidatin des Abends, schlug sich in der ersten Debatte der sieben Nachzügler, scherzhaft „Kindertisch“ genannt, klar am besten. Die frühere Vorstandschefin des Computerkonzerns Hewlett-Packard vermied Untergriffe. Ihre beiden derzeit in den Umfragen voranliegenden Konkurrenten Trump und Jeb Bush tadelte sie mit feiner Klinge: „Er greift einen Zorn auf“, erklärte sie Trumps überraschende Führungsposition in den Umfragen. „Die Leute haben genug von der Politik wie bisher. Die politische Klasse hat sie im Stich gelassen. Aber seit er seine Meinung zur Amnestierung von illegalen Einwanderern, dem Gesundheitswesen und der Abtreibung geändert hat, würde ich die Frage stellen, nach welchen Grundsätzen er regieren würde.“
„Ich mag Fiorina nach der zweiten Debatte noch mehr als zuvor“, tat der einflussreiche konservative Denker David Frum, einst Redenschreiber von Präsident George W. Bush, auf dem Kurznachrichtendienst Twitter seine Präferenz kund. Als Kandidatin für die Präsidentschaft kommt Fiorina zwar kaum infrage. Sie liegt laut einer Analyse aller bisherigen Meinungsumfragen nur auf dem 14. Rang, was bedeutet, dass es für sie sehr schwer werden wird, vom Fernsehsender CNN zur nächsten Debatte der zehn in den Umfragen stärksten Kandidaten am 16.September eingeladen zu werden. Doch als „Running Mate“, als Kandidatin für die Vizepräsidentschaft, hat sie sich zweifellos in Position gebracht. Als Frau aus der Wirtschaftswelt, der bei der republikanischen Basis verhassten Washingtoner Politikblase fremd und zudem aus dem tendenziell liberalen Kalifornien stammend, könnte Fiorina eine passende Ergänzung darstellen.
Jeb Bush gibt sich staatsmännisch
Der Auftritt von Jeb Bush, Präsidentensohn und -bruder, war wie erwartet nicht besonders mitreißend. Der Ex-Gouverneur von Florida leistete sich allerdings auch keine schweren Fehler, und neben dem aufbrausenden Trump konnte er sich mit seinen sachpolitischen Ausführungen als seriös abgrenzen. „Die Mehrheit der Menschen, die illegal hierher kommen, hat keine andere Wahl. Sie wollen für ihre Familien sorgen“, sagte Bush zur in beiden Gesprächsrunden am breitesten erörterten Frage der illegalen Einwanderung. „Es muss einen Pfad für einen verdienten legalen Aufenthalt geben.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2015)