Ariel Scharons politisches Erbe

ISRAEL SHARON
ISRAEL SHARONEPA
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Die räumliche Trennung der Israelis und Palästinenser hat den Nahost-Friedensprozess nicht vorangebracht, wie von Scharon erhofft. Die von ihm gegründete Kadima-Partei flog 2015 aus der Knesset.

Auch wenn heute kaum noch ein Politiker von einer Wiedereroberung und der Neubesetzung des Gazastreifens spricht, gilt der unilaterale Abzug, den Israels Ex-Regierungschef Ariel Scharon im August 2005 vorantrieb, als gründlich misslungen. Scharons erklärtes Ziel war die Beruhigung der Region durch eine Trennung der Völker, wie sie seit Beginn des Friedensprozesses offiziell von Israel und der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) angestrebt wird. Stattdessen spitzte sich die Sicherheitslage für Israel zu. Vor allem die Kibbuzim und die Städte in Grenznähe geraten regelmäßig unter Raketenbeschuss der Islamisten im Gazastreifen.

Bei den Wahlen 2006 konnte sich Scharons Nachfolger Ehud Olmert, der die Führung der Kadima-Partei nach dem Erkranken des Parteichefs übernommen hatte, noch durchsetzen. Olmert hatte im Verlauf des Wahlkampfs angekündigt, Scharons Programm fortzusetzen und israelische Truppen aus Teilgebieten des noch besetzten Westjordanlandes abzuziehen. Auch weitere Siedlungen hätten dann geräumt werden müssen. Dass es niemals dazu kam, geht zuallererst auf das Konto der palästinensischen Wähler, die ebenfalls Anfang 2006 an die Wahlurnen gerufen wurden, und die islamistische Hamas zur größten Fraktion im Parlament von Ramallah machten.

Letzter Wahlsieg 2009. Zwar wurde die Kadima unter der Führung von Zipi Livni bei den Wahlen 2009 erneut stärkste Fraktion. Livni gelang es jedoch nicht, eine regierungsfähige Mehrheitskoalition zu gründen und ging damals in die Opposition. Die Partei reagierte mit der Abwahl der Chefin und ernannte an ihrer Stelle den früheren Generalstabschef Schaul Mofaz zum neuen Vorsitzenden. Bei den Wahlen 2013 erreichte die Kadima noch einmal zwei Mandate, bis sie Anfang dieses Jahres endgültig an der Sperrklausel für den Einzug in die Knesset scheiterte.

Drei Gaza-Kriege, Bedrohung durch Raketen und die latente Gefahr, dass sich Terrorkommandos einschleichen könnten, lassen Israel zögern, auch im Westjordanland auf die Kontrolle durch eigene Sicherheitstruppen zu verzichten, solange es keine bilaterale Einigung gibt. Das Parteiprogramm der Kadima ist damit überholt.

Nach acht Jahren im Koma erlag Scharon im Januar 2014 seiner Krankheit. Von den drei Politikern, die nach ihm die Kadima führten, hat sich nur Livni halten können. Die frühere Justizministerin zog dieses Jahr gemeinsam mit der Arbeitspartei in den Wahlkampf und sitzt jetzt im Auftrag des „Zionistischen Lagers“ weiter im Parlament. Ehud Olmert wird wegen Korruption und Bestechung in Kürze eine sechsjährige Haftstrafe antreten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2015)

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