Trainings-Apps: Wer schwitzt, gewinnt

Trainieren im Fitnesscenter
Trainieren im FitnesscenterDie Presse
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Noch nie war im Sportsektor so viel zu holen wie jetzt: Das zeigt nicht zuletzt die Übernahme von Runtastic durch Adidas. Fitness boomt, Spitzensport lockt mit Geld und Prestige.

Es war ein ziemlicher Paukenschlag. Am Mittwochabend gab Runtastic bekannt, dass der deutsche Sportartikelhersteller Adidas das Start-up aus Pasching bei Linz für 220 Mio. Euro übernommen hat. Das ist bis dato der größte Exit der österreichischen Start-up-Geschichte. Er zeugt vom kometenhaften Aufstieg des 2009 mit einer Lauf-App gestarteten Unternehmens, das heute 20 Apps in 18 Sprachen vertreibt und über 140Millionen Downloads und rund 70Millionen registrierte Nutzer verbuchen kann.

Dieser Umstand und das geballte technologische Know-how, das die vier Gründer Florian Gschwandtner, Alfred Luger, Rene Giretzlehner und Christian Kaar und das mittlerweile 140 Köpfe starke Runtastic-Team mitbringen, dürften für die Kaufentscheidung von Adidas ausschlaggebend gewesen sein.

Denn die Sportartikelbranche ringt derzeit darum, in Sachen Digitalisierung einen Fuß in die Tür zu bekommen. Innovationen kommen vorwiegend von Start-ups wie in den USA Fitbit oder Athos, die in Sachen Wearables – bei Fitbit sind es Armbänder, bei Athos Sportkleidung, die Körperfunktionen messen und per App in Trainingstipps umwandeln können – neue Maßstäbe setzen.

Kooperationen der Sportartikelhersteller mit großen Technologiekonzernen – wie etwa Nike mit Apple oder kurzzeitig auch Adidas mit Google – verliefen nicht unbedingt nach Plan. So hat Nike zurzeit eine Sammelklage am Hals, weil über deren Fitbit-Klon Fuelband in der Werbung Dinge versprochen wurden, die das Produkt nicht kann. Dem Vernehmen nach muss Nike Fuelband-Kunden eine Entschädigung von in Summe 2,4 Mio. US-Dollar zahlen. Adidas geht nun mit der Integration eines Start-ups ins Unternehmen einen neuen Weg.


Milliardenmarkt. Der Sportfachhandel ist für Start-ups ein attraktiver Markt. Allein in Österreich bewegt sich dessen Umsatz zwischen 1,6 und 1,7 Milliarden Euro, im Fitnessbereich sollen noch einmal Summen im dreistelligen Millionenbereich dazukommen. Für Runtastic ist die Integration in Adidas eine Chance, den Vertrieb über die Adidas-Stores kräftig anzukurbeln und über die Marke Adidas die eigene Bekanntheit zu vervielfachen.

Unterdessen inspiriert der Erfolg von Runtatsic immer mehr Start-ups dazu, auch ein Stück vom lukrativen Sportkuchen mitzunaschen. Alex Pinter ist so einer: Mit einer App, die Trainer von Spitzensportlern bei der Arbeit unterstützt. Trayn nennen sich das Produkt sowie das Unternehmen, das Pinter gemeinsam mit seinem Vater gründete, der selbst lange Zeit Ski-Profis trainiert hat. „Mein Vater hat lange Zeit viele Athleten gleichzeitig betreuen müssen. Das war alles sehr zeitintensiv und hatte zur Folge, dass die individuelle Betreuung unter dem Zeitmangel zu leiden begann“, sagt Pinter. Schon Anfang 2000 soll die Idee geboren worden sein, individualisierte Trainingspläne mithilfe des Computers zu generieren. Die technische Entwicklung und schlussendlich der Siegeszug der Smartphones machten diese Idee zehn Jahre später reif für die Umsetzung.


Auf in die USA. Anstatt im gemütlichen Österreich zu starten und das Produkt auszutesten, wagte sich Pinter gleich in die Höhle des Löwen: „Wir wollten in Kalifornien sehen, wie der Markt auf unseren Zugang reagiert. Das Feedback war sofort positiv, was die Entscheidung erleichterte, die USA als erste Priorität zu setzen“, sagt Pinter.

Denn Trainer würden dort mit denselben Schwierigkeiten bei der Trainingsplanung ringen wie ihre Kollegen in Österreich. Auch die US-Trainer würden mit Word, Excel oder bloßem Papier arbeiten – die Chancen, die Pinter für seine App sah, waren vorhanden. „Wir wussten, dass wir ein US-Vehikel brauchen würden. Überrascht waren wir dann aber, wie wenig zeitintensiv und komplex die Sache über die Bühne gegangen ist“, sagt Pinter. In den USA sei das Mindset der Wirtschaftstreibenden anders: „Die Amerikaner haben eine andere Mentalität, sie sind extrem stark in der Selbstvermarktung und haben die Fähigkeit, Ideen schnell auf ihre Markttauglichkeit zu checken“, sagt Pinter. Bis Ende des Jahres plant er, dass 50 Sportteams seine Plattform benutzen sollen.

Mit Stand Juli machen das bereits 15, darunter Teams aus der NHL oder der NBA. Pinter ist fleißig auf Promo-Tour, in Texas hat er schon Dallas, Houston und Austin bereist, in Colorado waren es Denver und Boulder.

In Trayn steckt einiges an Entwicklungsarbeit, das Programmieren der Erstversion gestaltete sich schwierig und lang: „Trainingspläne sind ein komplexes Thema, weil die Zielgruppe sehr speziell ist. Viele Trainer haben einen recht philosophischen Zugang zu ihrer Arbeit und zur Planung. Diesen in ein Online-Tool zu übersetzen war extrem anspruchsvoll“, sagt Pinter.

Seit 2014 ist eine Erstversion fertig und wurde seither von Referenzkunden getestet. Heuer will Pinter einen Umsatz von über 100.000 Euro generieren, dabei hilft ihm sein Team von acht Mitarbeitern, zwei davon befinden sich in den USA. Noch richtet sich Trayn ausschließlich an professionelle Anwender, eine Consumer-Variante ist aber in Planung. „Wenn wir in die breite Masse gehen, wird es sicher ein ganz anderes Produkt. In der Light-Version können die Nutzer wahrscheinlich gratis trainieren“, sagt Pinter.


Geprüfte Fitnesslevels. Die Wachstumsstärke in der Fitnessbranche war auch für Johannes Schober das ausschlaggebende Argument, sich mit einem Start-up zu versuchen. Der Burgenländer betreibt in Oberwart das Kraftkollektiv, eine Trainingsfirma, die ihre Kunden mit dem Erreichen von Fitnesslevels motivieren will. Zehn solcher Levels gilt es zu erreichen, den Weg dorthin unterstützen Sportwissenschaftler und Sportphysiotherapeuten.

Alle drei bis vier Monate „dürfen“ sich die Trainierenden sogenannten Levelprüfungen unterziehen. „Die Aufgaben bestehen dabei immer aus einem technischen Teil, bei dem Übungen in korrekter Form demonstriert werden müssen, und aus einem Herausforderungsteil, wobei bestimmte Aufgaben auch unter Zeitdruck bewältigt werden müssen“, erklärt Schober das Konzept.

Die Idee stammt aus der Erfahrung in der Arbeit mit Leistungs- und Breitensportlern, die Schober als Athletiktrainer seit mehreren Jahren betreut. „Heutzutage nimmt sich kaum ein Trainer mehr ausreichend Zeit für den Einzelnen und lässt lieber 20 Leute vollkommen sinnlos auf Geräten herumhampeln, nur, um möglichst viele gleichzeitig durch das System schleusen zu können“, kritisiert Schober. Dabei ist aus seiner Sicht gerade die Trainerleistung maßgeblich für den sportlichen Erfolg: „Alles steht und fällt mit der Person, die da vorn steht, mich ausbessert, anfeuert, motiviert und am Ende der Einheit mit mir abklatscht. Die Leute sollten bei uns einerseits den Spaß, den unser Beruf uns macht, aber auch die Kompetenz, die wir uns hart erarbeitet haben, spüren.“


Dreimal mehr Frauen. Derzeit trainieren etwa 50 Leute beim Kraftkollektiv, dreimal so viele Frauen wie Männer übrigens. „In diesem Ausmaß haben wir damit nicht gerechnet, allerdings spiegelt das den aktuellen Trend unserer Branche wider“, so Schober. Als Nächstes will er das Angebot auf Kinder und Jugendliche erweitern. Angesichts des besorgniserregenden Bewegungsmangels bei vielen Kindern sieht er Handlungsbedarf: „Das sehe ich nicht nur als gesundheits- und sozialpolitisch relevant, sondern auch persönlich – als frisch gebackener Vater.“

Bewegt wird das Leben auch für Runtastic weitergehen. Erst einmal steht eine Werbetour durch die USA an und dann der Launch einiger neuer Produkte – mehr dazu im Interview mit Gründer Florian Gwschandtner.

Fakten

Sportfachhandel. In Österreich bewegt sich der Umsatz des Sportfachhandels zwischen 1,6 und 1,7Milliarden Euro im Jahr.

Fitness. Hier bewegt sich der Umsatz im dreistelligen Millionenbereich.

Sport-Start-ups

Trayn ist eine App, die Trainer von Spitzensportlern bei der Arbeit unterstützt. Die App erstellt individualisierte Fitnesspläne und wird in den USA bereits von Teams aus der NHL oder der NBA verwendet.

Kraftkollektiv ist eine Trainingsfirma, die ihre Kunden mit dem Erreichen von Fitnesslevels motivieren will. Zehn Levels gilt es zu erreichen, unterstützt von Sportwissenschaftlern und Physiotherapeuten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2015)

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