Fluss sucht Stadt: Wie Wien an die Donau rückt

Private Initiative am Donauufer: Franz Scheriau mit seinen k. u. k. Schiffen.
Private Initiative am Donauufer: Franz Scheriau mit seinen k. u. k. Schiffen.Die Presse
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Wien an der Donau: Das eine Ufer entlang der Donauinsel kennt man. Aber wieso wird das andere, das rechte Ufer,so vernachlässigt?

An der berühmten Harvard-Universität in den USA nahm im Wintersemester 2006 die Stadt Wien einen gewichtigen Platz ein. „Reconnecting City & River: Vienna, Austria & the Danube“ lautete der Titel der gut besuchten Vorlesungsreihe. Dann besuchte eine Abordnung der Studenten Wien, recherchierte mit Enthusiasmus vor Ort, studierte Pläne. sprach mit Planungsexperten und machte Entwürfe, die schließlich präsentiert und dann auch zu einem Buch zusammenfasst wurden.

Inhaltlich ging – und geht – es um das rechte Donauufer (stromabwärts gesehen). Also um jenen Bereich, der grob gesagt von Nussdorf bis fast zum Freudenauer Hafen reicht und der ein ziemliches Stiefmütterchendasein führt. Denn während das linke Donauufer durch die Donauinsel mit seinen immensen Freizeitmöglichkeiten inhaltlich fixiert ist, wird das rechte Ufer sozial, freizeitmäßig und kulturell wenig genutzt und liegt brach. Der Hauptgrund dafür ist simpel und heißt Handelskai samt Bahnlinie. Denn diese beiden Verkehrsadern sind eine fast unüberwindliche Barriere im Zugang zum Donauufer.

Die Harvard-Studenten lieferten damals eine Reihe von Ideen für Museen, Themenparks, bauliche Landmarks: kühne, futuristische, kreative Vorschläge – die meisten hatten aber den Makel, dass sie schwer durchführbar und damit teuer waren. Nun ja, das war Anfang 2007. Seither ist die Vienna Waterfront, wie das rechte Donauufer euphemistisch genannt wird, nicht wirklich gewachsen. Lediglich der Bereich um die Reichsbrücke wurde und wird weiter ausgebaut. Denn dort befinden sich auch die Anlegestellen für die Donauschiffe. Und Flusskreuzfahrten nehmen zu und werden zu einem immer wichtigeren touristisch-wirtschaftlichen Faktor, auch für Wien. Und für die kreuzfahrenden Stadttouristen wird rund um das Schifffahrtszentrum beim Mexikoplatz einiges investiert.

Der große Rest des Wiener Donauufers, ein mehr oder weniger breiter Grünstreifen entlang der Donau, ist weiter wenig genutzt und wird relativ wenig frequentiert. Dabei geht der Städtetrend international in die Richtung, stärkere Verbindungen zum Wasser zu schaffen und damit attraktiver zu machen. Und dafür geben Stadtverwaltungen viel Geld aus. Ob das London ist (siehe Bericht unten), Berlin, Paris oder einige US-Städte: Die Waterfront ist den Stadtplanern ein wichtiges Anliegen. In Seoul wurde vor einigen Jahren mit viel Aufwand sogar eine ganze Stadtautobahn abgerissen, um einen zubetonierten Fluss freizulegen.

Auch die Wiener Stadtplanung hat das Ziel, die Stadt an das Wasser heranzuführen. In der Praxis sind aber die oben erwähnten Barrieren da – und diese bleiben. Bei den ÖBB heißt es auf Anfrage, dass es „keinerlei Planungen gibt, diese Gleisanlagen aufzugeben oder zu verlegen“. Diese Strecke sei wichtig für die Bedienung des Güterterminals Freudenau, des größten Umschlagplatzes an Gütern zwischen Bahn und Straße in Wien, heißt es.

Und auch der Handelskai verschwindet nicht. Das Problem ist sein hohes Straßenniveau. Jede Brücke, die vom zweiten oder 20. Bezirk aus geplant ist, muss relativ hoch hinaus, um über den Kai – und dann die Bahn – zu führen. Damit sind zwar kleinere Brücken möglich, großflächige Überplattungen, wie etwa bei der Donauuferautobahn geschehen, sind damit baulich und finanziell aber nicht möglich.

Die Wiener Stadtplanung hat sich darauf eingestellt. Der Ausbau der Waterfront und die Anbindung ans Donauufer sei zwar weiterhin ein hochrangiges Ziel, heißt es bei der MA 21. Aber eben nur mehr durch einzelne Überbrückungen. Wie etwa bei der Holubstraße nahe der Brigittenauer Brücke geschehen, wo der Judith-Deutsch-Steg errichtet und im Mai eröffnet wurde. Damit können Radfahrer und Fußgänger „gefahrlos und barrierefrei über Handelskai und ÖBB-Gleise in das Naherholungsgebiet am rechten Donauufer“ kommen, heißt es lobend im Rathaus. Dabei bleibt es vorerst. Es gibt zwar einen Plan für eine weitere Brücke über den Handelskai nahe der Donaumarina, doch die Verhandlungen zwischen Stadt, Errichtungsfirma und Grundeigentümern stecken fest.

Doch was könnte uns an der Waterfront erwarten? Wie kann man dies brachliegende Potenzial an Grünflächen am Wasser nützen? Während die Harvard-Studenten eher für spektakuläre Projekte plädierten, setzen andere Experten auf eine eher ruhigere Nutzung. Auch als Kontrapunkt zur auf der anderen Seite liegenden Copa Cagrana. In einer Studie hat die Landschaftsarchitektin Karin Standler die Situation dieses bisher „eintönigen Begleitstreifens“ entlang der Donau analysiert und zugleich auch einige Impulse formuliert, wie man diesen „einzigartigen öffentlichen Freiraum“ sanft entwickelt – etwa durch mehr Plätze für Sport, Kultur und Erholung, mehr Geh- und Radwege, kleine Parks, aber auch kleine Gastronomie.

Was immer entlang des Ufers gemacht wird, es sollte irgendwie mit Wasser zu tun haben. Das sieht auch Franz Scheriau so. Er hat im unteren Bereich des Donauufers – nahe der buddhistischen Pagode und dem bekannten Fischrestaurant Lindmayer – vor Jahren eine private Initiative gestartet und ein Schiffsmuseum errichtet. Gern zeigt er das alte aus der k. u. k Monarchie stammende Dampfschiff Frederic Mistral her und erzählt historische Geschichten. Er bietet auch kleine Ausflüge auf seinen Schiffen an; zudem kann man bei ihm mit einer Fähre auf die Donauinsel übersetzen.

Doch im Moment machen ihm Stadt und Hafen das Leben etwas schwer. Die Auflagen werden immer strenger, Genehmigungen sind immer schwieriger zu bekommen. Schade. Denn gerade für eine attraktive Vienna Waterfront haben auch solche kleine Privatinitiativen großen Wert.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2015)

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