Israel: Razzien im Westjordanland

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Auf der Suche nach Verantwortlichen für Anschlag auf palästinensische Familie nehmen Sicherheitskräfte Aktivisten der radikalen jüdischen Siedlerbewegung fest.

Jerusalem. „Wir werden alle uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen, um die Mörder zu fassen“ – mit diesen Worten kündigte der israelische Ministerpräsident, Benjamin Netanjahu, am Samstag eine härtere Vorgangsweise gegenüber jenen ultranationalistischen Juden, die mutmaßlich den jüngsten Anschlag auf Palästinenser verübt haben, an. Am 31. Juli war auf zwei Häuser im palästinensischen Dorf Duma im Westjordanland ein Brandanschlag verübt worden. Dabei starb ein 18 Monate altes Kind. Seine Mutter, sein Vater und der vierjährige Bruder wurden schwer verletzt. Am Samstag erlag auch der Vater seinen schweren Brandwunden.

Inmitten der Spannungen hat Israels Armee am Sonntag im Westjordanland einen Palästinenser erschossen. Der Mann habe an einer Tankstelle einen israelischen Zivilisten mit einem Messer angegriffen und leicht verletzt, erklärte die Armee am Sonntagabend. Soldaten hätten das Feuer auf den Angreifer eröffnet und ihn verwundet. Er sei wenig später gestorben.

Gestern folgten auf Netanjahus Worte dannTaten: In der Nacht auf Sonntag begannen Razzien bei radikalen jüdischen Siedlern, der Einsatz dauerte am Vormittag an. Nach übereinstimmenden Berichten in israelischen Medien wurden in der illegalen Siedlung Adei Ad, in der direkten Nachbarschaft von Duma, zwei Menschen festgenommen. In einem illegalen Außenposten der einige Kilometer weiter südlich gelegenen Siedlung Kochav Hashachar seien sieben junge Siedleraktivisten in Polizeigewahrsam genommen worden, hieß es.

Unbegrenzte Inhaftierung

Ebenfalls gestern verhängte Verteidigungsminister Moshe Jaalon eine sechsmonatige Verwaltungshaft gegen Meir Ettinger, einen der bekanntesten Vertreter der radikalen Hügel-Jugend aus den Siedleraußenposten. Ettinger war am vergangenen Montag auf Drängen des Inlandsgeheimdienstes festgenommen worden. Der Geheimdienst hält ihn für den Kopf einer Gruppierung, die für mehrere Anschläge auf Klöster und Kirchen verantwortlich ist. Auch wegen des Brandanschlags in Duma wird gegen ihn wegen Anstiftung ermittelt.

Der am Dienstag festgenommene jüdische Ultranationalist Eviatar Slonim kam am Sonntag ebenfalls für ein halbes Jahr in Administrativhaft, wie schon vergangene Woche ein dritter Rechtsextremist, Mordechai Meyer. Diese Maßnahme ermöglicht eine unbegrenzte Inhaftierung von Verdächtigen ohne Anklage und Verfahren.

Auch die katholische Kirche wird in Israel zusehends zur Zielscheibe. Die katholischen Bischöfe im Heiligen Land haben Anzeige gegen die rechte jüdische Organisation Lehava und deren Vorsitzenden, Rabbiner Bentzi Gopstein, erstattet. Gopstein hatte bei einer Podiumsdiskussion vor Talmudschülern zu Brandstiftung an Kirchen aufgerufen. Die Bischöfe appellierten an die israelischen Behörden, den Christen Schutz zu garantieren. (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2015)

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