Irans Luftwaffe hat Chance zu einer historischen Aufrüstung

Iranische Phantoms
Iranische Phantoms IRIAF
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Wenn nach der jüngsten Einigung im Atomstreit die UN-Sanktionen gegen den Iran fallen, dürfte dessen veraltete und technisch erschöpfte Luftwaffe einen Entwicklungsschub bekommen. Flugzeuganbieter stehen schon bereit.

Die Mitte Juli erfolgte Einigung im jahrelangen „Atomstreit“ zwischen den UN-Vetomächten zuzüglich Deutschlands und dem Iran wegen des jahrzehntelang heimlich betriebenen Nuklearprogramms Teherans hat dem Land eine medial bisher unbeachtete, doch strategisch folgenreiche Chance eröffnet: Irans Luftwaffe, die seit der islamischen Revolution 1979 von fremden Quellen weitgehend abgeschnitten war und folglich heute in mäßigem Zustand ist, wittert Morgenluft. Da nach dem Aufheben der jahrelangen UN-Sanktionen nämlich konventionelle Militärgeschäfte mit dem Land wieder grundsätzlich möglich sind, bemühen sich maßgebliche Kreise der iranischen Militärspitze sowie der politischen Führung darum, die Luftstreitkräfte zu modernisieren.

Ein Erstarken jener Teilstreitkraft, mit der sich besonders leicht und effektiv Macht projizieren lässt, dürfte im heiklen geostrategischen Umfeld des Iran nicht folgenlos bleiben. Gewiss nicht bei den arabischen Staaten, die den Iran seit jeher als Regionalrivalen sehen. Auch Israel, das in den Jahren des Atomstreits wiederholt mit Luftangriffen gegen iranische Atomanlagen gedroht hatte, wird es ungern sehen, wenn sich die Iraner zumindest einen stärkeren Schutzschild in der Luft zulegen.

China, Frankreich, Russland klopfen an

Tatsächlich berichtet das Militärfachmedium IHS Jane’s Defence, dass die Iraner ganz begierig seien, die Modernisierungschancen zu nutzen. Die Luftwaffe (IRIAF) sei schon vor der Einigung im Atomstreit mit mehreren Anbietern in Kontakt gewesen, um die erschöpften und angejahrten Arsenale an Flugzeugen, vor allem Kampfjets, neu zu füllen. So soll China zuletzt 150 durchaus moderne Mehrzweckkampflugzeuge Chengdu Jian-10 „Vigorous Dragon" angeboten haben, die seit 2003 gefertigt werden und sich schon äußerlich an westliche Modelle wie die Saab „Gripen" anlehnen.

Die Gerüchte dazu gehen indes mindestens bis 2007 zurück und es ging dabei um 24 bis 36 Stück. Da selbst Jane’s schreibt, dass die Berichte auf anonymen Quellen fußen, muss man bei einer so enorm hohen ventilierten Zahl wie 150 natürlich vorsichtig sein.

Chinesische Jian-10 für den Iran?
Chinesische Jian-10 für den Iran?military-today.com

Neben China soll Frankreich ans Cockpit klopfen: Es wolle gebrauchte, nicht mehr ganz jugendliche Mirage 2000 von Dassault loswerden, die aus der französischen Luftwaffe ausscheiden, da sie von topmodernen „Rafales" abgelöst werden. Auch Russland soll daran interessiert sein, gebrauchte oder neuwertige Kampfflugzeuge von Mikojan-Gurewitsch oder Suchoi an die IRIAF zu bringen, und so steht Beobachtern zufolge ein massiver Ausbau der iranischen Luftmacht bevor - mit all den politischen Turbulenzen und Unwägbarkeiten schon im Vorfeld.

Eine große imperiale Vergangenheit

Tatsächlich ist Irans Luftstreitmacht nur noch ein Schatten der imperialen iranischen Luftwaffe (IIAF) unter Schah Mohammed Reza Pahlavi (1919-80, Herrschaft 1941-79). In den 1970ern war diese nämlich technisch und zahlenmäßig eine der besten der Welt und gewiss im ganzen Nahen Osten, sie übertraf jene Israels, die freilich im Jom-Kippur-Krieg 1973 kräftig reduziert worden war. Verantwortlich für die Stärke der Iraner waren die USA, die der IIAF ab den 1960ern bis 1978 mehr als 600 damals moderne Kampfflugzeuge lieferten – abgesehen von über 700 Transport- und Kampfhubschraubern, Transportflugzeugen, Lufttankern etc.

Unter den Jets waren 225 „Phantom"-Jagdbomber von McDonnell Douglas und ca. 310 leichte Jäger/Jagdbomber F-5 "Freedom Fighter" bzw. F-5E „Tiger II", aber auch ein besonderes Ass der US-Industrie: Nämlich 79 Luftüberlegenheitsjäger F-14 „Tomcat" von Grumman, jene großen, markanten Schwenkflügler, die eigentlich für den Einsatz auf Trägern bei der Navy gebaut worden waren und spätestens durch den Tom-Cruise-Film „Top Gun" (1986) einem breiteren Publikum bekannt wurden.

Fliegende Legenden: Iranische F-14 Tomcats
Fliegende Legenden: Iranische F-14 Tomcatstheaviationist.com
Iranische Phantoms
Iranische PhantomsIRIAF

Wegen der US-Sanktionen seit 1979 wurde es unmöglich, die von US-Gerät dominierte Luftflotte zu ergänzen oder von US-Experten warten zu lassen, der Zugang zu Ersatzteilen und Bewaffnung war weg und so konnten die Verluste im Ersten Golfkrieg gegen den Irak (1980-88) nicht ausgeglichen und Schäden nicht immer repariert werden. Diese Verluste sind übrigens nicht verlässlich darzustellen, Ende 1982 waren angeblich noch etwa 120 Jets wirklich einsatzbereit, 1987 etwa 65 - was aber nichts darüber aussagt, wie viele Maschinen Totalverluste waren und wie viele beschädigt, defekt und irreparabel irgendwo herumstanden.

Da das schiitische Regime generell international isoliert war und die USA Druck machten, fielen während des Kriegs und noch lange danach auch andere Flugzeug- und Ersatzteillieferanten aus, etwa Frankreich. Die Sowjetunion, obwohl Antagonist der USA, hatte keine Lust, an ihrem islamisch geprägten „Bauch“ der transkaukasischen und zentralasiatischen Sowjetrepubliken wie Aserbaidschan und Turkmenistan einen Gottesstaat zu unterstützen, während China erst spät und zögerlich ins Spiel kam.

Verstärkung vom Feind

Allerdings waren die Iraner begabt und sehr erfinderisch dabei, ihre Jets in der Luft zu halten. Es gelang der sich entwickelnden nationalen Luftfahrtindustrie, Teile nachzubauen (angeblich ist man heute in der Ersatzteilherstellung zu 70 Prozent und mehr autark, was im Westen bezweifelt wird). Man schlachtete Flugzeuge aus, um andere zu reparieren, der internationale Schwarzmarkt tat sein übriges, einige Flugzeugkäufe kamen doch offen zustande. 

Und dann erwies sich der Irak überraschend als Lieferant: Im Zweiten Golfkrieg 1990/91 zwischen dem Irak und einer US-geführten Koalition mit UN-Mandat floh ein bedeutender Teil der irakischen Luftwaffe just zum früheren Todfeind. Es waren mindestens 110 Maschinen etwa der Typen Mirage F-1, Suchoi Su-22 „Fitter" und MiG-23 „Flogger" von Mikojan-Gurewitsch, von denen der Iran bisher nur sieben Stück zurück gab, und das erst im Vorjahr. Die Bedeutung dieser Spritze für die IRIAF darf aber nicht überschätzt werden: Die vorwiegend russischen Flugzeugtypen waren für die Iraner, deren Technik und Logistik auf US-Typen eingestellt war, lange Fremdkörper und wurden bzw. werden nur beschränkt verwendet.

Iranische MiG-29 aus dem Irak
Iranische MiG-29 aus dem Irakairliners.net/Shahram Sharifi
Iranische Su-24 Fencer aus dem Irak
Iranische Su-24 Fencer aus dem Irakairliners.net/Shahram Sharifi

Insgesamt sank die Stärke der IRIAF seit 1979 auf ein Niveau, das aufgrund vieler Faktoren und der Geheimhaltung schwer schätzbar ist. Bei Jane’s geht man von etwa 370 Jets aus, von denen nur ein Teil jederzeit flugfähig ist. Bei „Globalsecurity" war für Anfang 2015 die Rede von um die 300 Stück, aus anderen Quellen leitet sich eine Einsatzbereitschaft von höchstens 60 Prozent ab (wären 180 Stück von 300).

Letztere beide Angaben in Kombination decken sich gut mit Daten der autoritativen Quelle "World Air Forces 2015" von Flightglobal, wo man zuletzt etwa 170 einsatzbereite Jets gezählt hatte. Nach Modellen aufgesplittet waren das demnach 42 Phantoms, nur noch 25 F-5 bzw. einheimische F-5-Derivate (s. unten), 24 Tomcats, 20 Mehrzweckkampfjets MiG-29 "Fulcrum" (aus dem Irak), 24 Angriffsflieger/taktische Bomber Suchoi Su-24 "Fencer" (ebenfalls Irak), neun Mirage F-1 (ebenfalls Irak), neun Schlachtflieger Suchoi Su-25 "Frogfoot" (ebenfalls Irak) und 17 chinesische Jäger Chengdu F-7, das sind robuste Kopien bzw. Weiterentwicklungen der alten sowjetrussischen MiG-21 "Fishbed".

Zweifelhafte Eigenbauten

In den vergangenen Jahrzehnten versuchten sich Irans Militär und Industrie auch an Eigenbauten - das indes mit eher zweifelhaftem Erfolg bei kaum nennenswerten Stückzahlen. So wurden aus der F-5 mindestens zwei Modelle leichter Erdkampfflugzeuge bzw. Jäger entwickelt oder kopiert, etwa „Azarakhsh" (Blitz) und „Saeqeh" (Donner), die seit 1997 bzw. 2007 in Irans Luftwaffe eingeführt werden, insgesamt bisher wohl weniger als 20 Stück. Und was die Jets tatsächlich leisten, ist in Wahrheit weitgehend unbekannt.

Iranische Shaeqeh
Iranische ShaeqehShahram Sharifi

Als anno 2013 ein angebliches Tarnkappen-Kampfflugzeug namens „Qaher-313" (Bezwinger, Eroberer) vorgestellt wurde, das einigermaßen einem Mix aus der amerikanischen F-117 „Nighthawk" und F-22 „Raptor" ähnelte, kamen westliche Luftfahrtkenner schnell zur Auffassung, dass dieses Ding wohl ein flugunfähiges Modell (Mock-up) zu Propagandazwecken sei: Die Materialen wirkten billig, Oberflächen, Nähte und Montage schlampig, einige Instrumente im Cockpit stammten erkennbar von zivilen Propellerflugzeugen.

Die "eingelaufene" Tarnkappe

Die Lufteinlässe der Triebwerke waren viel zu klein, und überhaupt: Das ganze Gerät war viel zu klein, sogar für den Piloten, der in seiner Kanzel nur so halb drinsaß und drohte, seitlich herauszukippen. Wenig später wurde ein Foto, dass den Jet im Flug über verschneiten Bergen zeigt, als Photoshop-Fake enttarnt.

Irans seltsames Tarnkappending
Irans seltsames TarnkappendingFARS
Muss ein ungemütliches Ding sein... (im Bild stehend links Irans Ex-Präsident Mahmoud Ahmadinedschad)
Muss ein ungemütliches Ding sein... (im Bild stehend links Irans Ex-Präsident Mahmoud Ahmadinedschad)FARS

Gründer der iranischen Luftwaffe war übrigens Reza Schah Pahlavi (1878-1944, König von 1926-41), der Vater des 1979 gestürzten Schahs. Als Verteidigungsminister hatte er 1921 eine Militärreform in dem rückständigen, militärisch schwachen Land begonnen. Die USA wollten damals aus rechtlichen Gründen dem Land keine Waffen verkaufen, worauf die Iraner sich nach Europa wandten.

Alles fing mit Junkers an

1922 kamen die ersten Flieger: Zwei deutsche Junkers F13, eigentlich Post- und Transportflugzeuge (und die ersten Zivilflugzeuge in Ganzmetallbauweise), in der Iran-Version mit je einem MG bestückt. Eine Dritte Ju kam später hinzu. Da im Budget des ärmlichen Königreichs kein Geld für eine Luftwaffe vorgesehen war, hatte Reza Schah für zwei der Junkers im Volk Geld sammeln lassen.

Iranische Junkers F13
Iranische Junkers F13IIAF

1923 kamen 29 weitere Flugzeuge an, bis auf zwei waren es in Russland endmontierte englische Fabrikate und gleichzeitig richtige Militärmaschinen, etwa die Doppeldecker Airco DH.9A (ein leichter Bomber) und Avro 504K (Jäger und Schulflugzeug).

Mangels eigener Piloten flogen anfangs Europäer, viele davon Deutsche, für die IIAF. Ab 1925 gab es die ersten zwei heimischen Piloten, einer davon, Oberst Ahmad Khan Nakhjavan, flog mit einer Breguet 19 (leichter Doppeldecker-Bomber) von Frankreich nach Persien und wurde zum Nationalheld. Auf dem Foto unten ist er der Vierte von links.

Offiziere der IIAF etwa 1933
Offiziere der IIAF etwa 1933IIAF

Bis zum Beginn des II. Weltkriegs gelangten mehr als 340 Flugzeug zur IIAF. Sie wurde – typisch für ein luftfahrttechnisches Anfängerland noch dazu in dieser wildwüchsig-blühenden Epoche des Flugzeugbaus – ein Zoo aus rund 18 Modellen aus einem halben Dutzend Staaten. Das vergrößerte die Probleme bei Betrieb, Versorgung, Service und Flugausbildung, und zusammen mit der generell schlechten militärischen Infrastruktur Persiens, den lokalen klimatisch-geografischen Begebenheiten und dem sowieso recht hohen Unfallrisiko damals folgte, dass gegen 1939 in der Imperialen Luftwaffe nur 50 bis 60 Flugzeuge einsatzfähig waren.

Waffenhilfe gegen die Sowjets

Nach dem Krieg, in dem Briten und Sowjets das Land blitzartig und großteils kampflos besetzten (August bis September 1941), bauten Großbritannien und die USA Irans Luftwaffe auf, was in den 1960ern in den erwähnten enormen Aufrüstungsschub mündete, um den Iran als Bollwerk gegen die UdSSR zu stärken.

Männer der ersten Phantom-Staffel der Iraner, Shiraz, 1971
Männer der ersten Phantom-Staffel der Iraner, Shiraz, 1971IIAF

Unter dem Tarnnamen „Project Dark Gene" drangen bis Mitte/Ende der 1970er iranische Flugzeuge und Hubschrauber mit meist gemischt US-iranischen Crews bei Geheimmissionen durch bekannte Löcher in der sowjetischen Radarüberwachung in den Sowjet-Luftraum ein, um das Hinterland auszukundschaften und die Luftabwehr zu testen. Dabei gingen wahrscheinlich bis zu sechs Fluggeräte durch Abfangjäger verloren, wobei sich überlebende Insassen darauf beriefen, sie seien bei Flugübungen vom Kurs abgekommen.

Öffentlich bekannt wurde ein Fall im November 1973, als eine MiG-21 eine iranische Phantom in einen klassischen Luftkampf verwickelte und am Ende rammte. Der Russe starb, die Phantom-Piloten (ein Iraner, ein Amerikaner) stiegen aus und wurden am Boden gefangengenommen. Weil sie den Luftkampf angenommen hatten klang ihre „Wir haben uns verirrt"-Story nicht mehr so glaubhaft, aber zwei Wochen später wurden sie dennoch nach Persien überstellt – vermutlich im Austausch gegen die Filmdose eines sowjetischen Spionagesatelliten, die versehentlich beim Rückweg zur Erde im Iran gelandet war.

Der einzige Betreiber des "Top Gun"-Jets

Die Sowjets schickten als Vergeltung für die Aufklärungsflüge ihrerseits mehrfach Hochgeschwindigkeitsaufklärer MiG-25 „Foxbat“ in den iranischen Luftraum, sie waren wegen ihrer enormen Geschwindigkeit (3000 bis 3500 km/h) und Flughöhe im Radar sichtbar, aber kaum abzufangen. Die demonstrativen Nadelstiche der Russen endeten, als in der IIAF ab 1975 Tomcats auftauchten und mindestens einmal eine Foxbat ins Zielerfassungsradar für ihre extrem weitreichenden und tödlichen AIM-54 „Phönix"-Raketen genommen hatten.

Iranische Tomcat-Männer Ende der 1970er, ganz links stehend: Jalil Zandi
Iranische Tomcat-Männer Ende der 1970er, ganz links stehend: Jalil ZandiIIAF/IRIAF

Nachdem die Tomcats 2006 bei der US-Marine außer Dienst gestellt wurden, ist der Iran das einzige Land, das diese außergewöhnlichen Flugzeuge noch betreibt. Niemand hat auch mehr Kampferfahrung mit ihnen gesammelt, denn „heiße" Einsätze der Amerikaner damit waren seit der Indienststellung 1974 selten, vor allem gegen Libyen und den Irak. Im Iran-Irak-Krieg hingegen sollen die F-14 laut dem Luftfahrtjournalisten und -Historiker Tom Cooper 125 bestätigte Abschüsse erzielt haben (unbestätigt 152), bei acht eigenen Gefechtsverlusten.

Und so wurde dann ein Iraner zum wahren Tomcat-Top Gun: Jalil Zandi (1951-2001) verbuchte elf Luftsiege (acht bestätigt, drei wahrscheinlich) gegen irakische MiGs, Suchois und Mirages, allesamt mit Luft-Luft-Raketen. Zandi wurde damit zum Piloten mit den meisten Abschüssen im I. Golfkrieg, mit den meisten Abschüssen der iranischen Luftfahrtgeschichte und gleichzeitig zum tödlichsten Tomcat-Piloten überhaupt. Später brachte er es zum Brigadegeneral. Er starb 2001 gemeinsam mit seiner Frau bei einem Autounfall nahe Teheran.

Irans Jagdflieger-Ass Jalil Zandi vor seiner Tomcat, etwa 1978
Irans Jagdflieger-Ass Jalil Zandi vor seiner Tomcat, etwa 1978IRIAF/IIAF

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