Gazprom: Große Menge, kleiner Preis

(c) Bloomberg (Alexander Zemlianichenko Jr.)
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Gazprom hat im ersten Quartal auf unorthodoxe Weise gut verdient. Nun, da der Gaspreis noch niedriger ist, kauft Europa zu, was das Zeug hält. Und Gazprom will sich Marktanteile sichern.

Wien. Positive Nachrichten aus Russland sind in letzter Zeit rar geworden. Umso mehr erstaunt, dass gerade der größte Devisenbringer des Landes einen besseren Start ins Jahr hingelegt hat, als Analysten das erwartet haben. Wie am Montag bekannt wurde, hat der Gazprom-Konzern den Gewinn im ersten Quartal um 71 Prozent auf 382 Mrd. Rubel (5,45 Mrd. Euro) gesteigert. Das schafft immerhin eine Verschnaufpause nach dem Schock des gesamten Vorjahres, als der Gewinn unter dem Druck der Ukraine-Krise um 86 Prozent auf 2,8 Mrd. Euro eingebrochen war.

Signifikanter Währungseffekt

Das Ergebnis ist deshalb überraschend, weil der Ölpreis im Vorjahr um die Hälfte abgestürzt ist und den Rubel mit nach unten gerissen hat. Für Europas größten Gaslieferanten brachte dieser Umstand neben allen negativen Implikationen auch eine Erleichterung. Weil Gazprom die meisten Ausgaben in Rubel bestreite, den Großteil seiner Einnahmen aber in Euro oder Dollar erhalte, profitiere man vom schwächeren Rubel, so Konzern-Vizechef Andrej Kruglov.

Der Währungseffekt ist signifikant: Während der Gaspreis für Europa um 24 Prozent auf 284,2 Dollar je 1000 Kubikmeter fiel, stieg er umgerechnet in Rubel um 37 Prozent an. Die Rubelabwertung macht damit wenigstens zum Teil jene Einbußen wett, die Gazprom aus dem niedrigeren Absatzvolumen und dem niedrigeren Gaspreis erstanden sind.

Zur Euphorie freilich besteht kein Grund. Nach russischer Berechnungsformel nämlich bildet der Gaspreis die Ölpreisdynamik erst mit einer zeitlichen Verzögerung von sechs bis neun Monaten ab. Der wirklich tiefe Fall des Ölpreises, der im letzten Quartal des Vorjahres passiert ist, schlägt auf Gazprom daher erst seit dem Frühjahr richtig durch. Im Juni lag der Exportpreis auf dem tiefsten Wert seit acht Jahren. Daran wird sich auf absehbare Zeit wenig ändern.

Es sind daher die Teilerfolge, die für Gazprom zum Gebot der Stunde werden. Und der größte unter ihnen wird interessanterweise gerade dort erzielt, wo man ihn angesichts der Hitzewelle nicht erwarten würde. Um die unterirdischen Speicher für den Winter zu füllen, nützt Europa den nun tiefen Gaspreis und kauft bei Gazprom zu, was das Zeug hält. Im Juli betrug der Export 14,29 Mrd. Kubikmeter – ein Plus von 23 Prozent zum Vorjahr. So viel hatte Gazprom zuletzt im Jänner 2014 exportiert. Die diesjährigen Exportvolumina nach Europa und in die Türkei werden das Allzeithoch „wahrscheinlich brechen“, so Gazprom.

Absurde Situation

Die Situation könnte absurder nicht sein. Seit Jahren nämlich liegt Gazprom mit Europa im Clinch. Gazprom weiß, dass sein noch immer hoher Marktanteil in Europa gefährdet ist. Merkbar kleiner werden dürfte er ab 2018, schreiben die Analysten der Deutschen Bank: Ab dann nämlich kommen neue Angebote in Form von Flüssiggas aus den USA und in Form aserbaidschanischen Gases auf den europäischen Markt.

Um in diesem Wettbewerb mithalten zu können, scheut Gazprom keine Mühen. Das Vorhaben, eine neue Pipeline über die Türkei zu bauen, kommt allerdings nur schleppend voran. Priorität hat nun ohnehin die Erweiterung der Ostseepipeline Nord-Stream, an der auch die OMV teilnehmen will.

Ein zweites Großprojekt wäre die Erschließung der Offshore-Lagerstätte Juschno-Kirinskoje im Pazifik zur Produktion von Flüssiggas (LNG). Am Montag jedoch kamen die USA in die Quere. Sie setzten diese Lagerstätte – und damit zum ersten Mal den Gassektor – auf die Sanktionsliste.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2015)

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