Ein Wiener Derby der Offenbarungen

SOCCER - BL, A.Wien vs Rapid
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Rapid gewann das 314. Wiener Derby bei der Austria mit 5:2, die Elf von Zoran Barisic demonstrierte erneut ihre Stärke. Am Verteilerkreis wartet auf Thorsten Fink noch viel Arbeit.

Vor dem 314. Wiener Derby ehrte die Wiener Austria Herbert Prohaska anlässlich dessen 60. Geburtstags. Prohaska steht für erfolgreiche Zeiten in Violett, die Fans der Favoritner erinnern sich noch heute gerne daran. Vor allem, weil die vergangenen zwei Saisonen keineswegs zum Jubel am Verteilerkreis animierten. Nach dem Meistertitel 2013 ging Trainer Peter Stöger und mit ihm die Spielphilosophie verloren. Der Deutsche Thorsten Fink, 47, soll eben diese so rasch wie möglich wiederfinden. Nach einem verheißungsvollen Start in die Bundesliga mit sieben Punkten aus drei Spielen diente das 314. Wiener Derby für Fink und seine Mannschaft als echter Gradmesser.

Die Austria begann bei Temperaturen um 30 Grad engagiert, suchte den direkten Weg zum Tor und kam in der zehnten Minute durch Gorgon auch zur ersten Chance des Spiels – es sollte die letzte der Gastgeber für längere Zeit sein. Mit Fortdauer der Begegnung bekam Rapid immer mehr Zugriff und gewann mit dem 1:0-Führungstreffer durch Stangl (17.) nach Freistoß von Hofmann auch eklatant an Selbstbewusstsein. Dem Freistoß ging ein Zweikampf zwischen Holzhauser und Auer voraus, Fink brachte der anschließende Foulpfiff von Schiedsrichter Hameter in Rage. Zur Beruhigung trugen auch die folgenden Szenen in der ersten Halbzeit nicht bei. Rapid kontrollierte das Geschehen, ließ den Ball geschickt durch die eigenen Reihen laufen. Violett strahlte kaum Gefahr aus, einzig der lauffreudige und flinke Kayode sorgte gelegentlich für etwas Verunsicherung in der grün-weißen Hintermannschaft.

Die Torlaune der Hütteldorfer

Als weitaus instabiler erwies sich die Defensive der Austria. Beim 2:0 der Gäste ließ der in die Mannschaft gerückte Innenverteidiger Stronati Beric gewähren, dessen Querpass verwertete Schobesberger (27.). Die Elf von Zoran Barisic schien Gefallen am Toreschießen gefunden zu haben, in der 33. Minute erhöhte Schwab per sehenswertem Schlenzer ins lange Eck auf 3:0. Auch diesem Tor ging ein Fehler der Austrianer voraus, Kehat hatte den Ball nahe des Strafraums leichtfertig verloren. Der Rekordmeister aus Hütteldorf hätte noch in den ersten 45 Minuten weitere Tore erzielen können, aber Dibon (31.) und Schwab bzw. Stangl (45.) scheiterten.

Dennoch, für einige Minuten hatten die Anhänger der Austria Hoffnung auf die große Wende. Unmittelbar vor dem Pausenpfiff verkürzte Gorgon per Elfmeter-Nachschuss auf 1:3 (45.) und auch nach Wiederanpfiff waren die Violetten zunächst die aktivere Mannschaft. Wären Martschinko (51.) oder Kayode (52.) als Sieger aus den Duellen mit Novota hervorgegangen, hätte das Spiel tatsächlich einen konträren Ausgang nehmen können. Doch die Austria beraubte sich selbst ihrer kleinen Chance, ließ sich nach einem Eckball leichtfertig auskontern, Hofmann schloss zum 4:1 ab (56.). Für Hofmann war der Treffer zugleich seine letzte Szene, er wurde unter dem Applaus der Rapid-Anhänger verabschiedet und durch Schaub ersetzt.

Defensives Totalversagen

Auf Thorsten Fink wartet in Wien noch viel Arbeit. Seine neu formierte Mannschaft muss sich erst finden, Laufwege einstudieren. Dass die Violetten den Grünweißen in ihrer Entwicklung um vieles hinterherhinken, bewies das Derby schonungslos. Nach dem zwischenzeitlichen 5:1 Rapids durch Beric (66.) sah man viele ratlose Gesichter in der Generali-Arena, so mancher der 12.500 Zuschauer verließ das Stadion frühzeitig. Erneut hatte man den Slowenen seelenruhig im Strafraum gewähren lassen, Austrias Verteidiger machte sich gegenseitig Vorwürfe, die Schuld wollte niemand auf sich nehmen.

Fink beobachte das Geschehen auf dem Rasen mal stoisch, um kurz darauf wieder wild zu gestikulieren. Er ist weit davon entfernt, ein funktionierendes Team vorzufinden, wird jeden einzelnen Tag benötigen, um der Austria den Grundschliff zu verpassen. Daran änderte auch der 2:5-Schlusspunkt durch Gorgon in der 72. Minute nichts. Die nötige Zeit dafür steht dem Deutschen zu.
Im Westen Wiens arbeitet man hingegen am Feinschliff. In der momentanen Verfassung darf sich eine homogene Rapid-Elf tatsächlich leise Hoffnungen auf eine erfolgreiche Champions-League-Qualifikation machen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2015)

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