70 Jahre nach Kriegsende fahnden Historiker nach US-Militärangehörigen - in deutschen Wäldern oder im Dschungel von Papua-Neuguinea.
Das US-Militär sucht noch immer nach Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg ihr Leben gelassen haben. Von den Wäldern in Deutschland bis zum Dschungel in Papua-Neuguinea fahnden Historiker, Archäologen und Gerichtsmediziner im Dienste des Pentagon nach US-Militärangehörigen, die bis heute als vermisst gelten.
Einer der Pentagon-Experten ist Stephen Johnson. Er sagt, wenn er an einem Fall arbeite, dann erinnere er sich immer an die Reaktion einer Frau auf den Fund der Leiche ihres Vaters in einem deutschen Wald. "Sie haben mir meinen Papa zurückgegeben", sagte die betagte Dame, die mittlerweile selbst Mutter und Großmutter ist. Die Gewissheit über das Schicksal ihres Vaters habe ihr "Frieden" gegeben, glaubt Johnson. Auch Sandi Jones aus dem Bundesstaat Montana erhielt einen Anruf vom Pentagon. Das US-Verteidigungsministerium teilte ihr im Juni 2014 mit, dass die Leiche ihres Onkels gefunden worden sei, 70 Jahre nachdem sein Kampfflugzeug über Papua-Neuguinea abstürzte. "Ich war baff", sagt die 60-Jährige. Der Onkel wurde in der Nähe der Familien-Ranch mit militärischen Ehren beerdigt.
"Man hört nicht auf, Mitglied des US-Militärs zu sein"
Seit Gründung der USA gilt für die Armee des Landes der Grundsatz, keinen Soldaten zurückzulassen. Der erste Präsident George Washington habe die Ansicht vertreten, dass "die Loyalität der Armee zur Nation direkt an die Loyalität der Nation zur Armee" gebunden sei, sagt Johnson. "Man hört nicht auf, Mitglied des US-Militärs zu sein, weil man stirbt."
Diese Einstellung erklärt die großen Mühen, die das Pentagon zur Bergung gestorbener Soldaten auf sich nimmt. So wurden 388 Militärangehörige exhumiert, die an Bord des Kriegsschiffes "USS Oklahoma" beim Angriff auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 ums Leben gekommen waren. Nach mehreren Wochen im Pazifik hatten die meisten Soldaten damals nicht identifiziert werden können, ihre sterblichen Überreste waren anonym beerdigt worden. Heute ist die US-Armee dank eines hochmodernen Labors auf Hawaii in der Lage, mit DNA-Tests und anderen Methoden die Knochen den Toten zuzuordnen.
Rund 70 Leichen pro Jahr
Jedes Jahr birgt das Pentagon rund 70 Leichen von US-Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg - allerdings weniger als das vom Kongress in Washington ausgegebene Ziel von 200 Leichen. Daher beteiligen sich auch private Gruppen an der Suche nach den Überresten von Gefallenen. Die Organisation History Flight beispielsweise geht seit 2007 dem Schicksal von dutzenden Marineinfanteristen auf dem Tarawa-Atoll im Pazifikstaat Kiribati nach.
"Das ist für uns eine humanitäre Frage", sagt der Direktor von History Flight, Mark Noah, der früher selbst als Pilot arbeitete. Fast 1,5 Millionen Dollar (1,34 Millionen Euro) seien bereits in die Suchaktion geflossen. Viele der Kinder und Verwandten der Verschollenen seien noch immer am Leben und verdienten Gewissheit. Der Weg für das Pentagon und für engagierte Privatleute wie Noah ist aber noch lang: Gut 73.000 US-Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg gelten bis heute als vermisst oder nicht identifiziert.
(APA/AFP)