Guido Kucsko: "Ich bin mein größter Sammler"

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Der Jurist und Künstler Guido Kucsko lässt in seinen Vorlesungen Flammen aus den Büchern schlagen. Im Gespräch erzählt er, ab wann geistiges Eigentum schutzwürdig ist und warum Gerichte nicht über Kunst richten dürfen. Aber zwischen dem Anwaltsberuf und der Kunst würden auch Parallelen bestehen – Kreativität und die Fähigkeit zur Problemlösung.

Sigmund Freud hat Sie zweimal zu Video-Kunstprojekten inspiriert. Kann Contemporary Art therapeutisch wirken? Oder braucht sie am Ende, wie viele zynisch behaupten, selbst einen Therapeuten?

Guido Kucsko: Ich bin sicher, dass Kunst wie Medizin für die Seele wirken kann, zumindest wie ein Placebo.


Sie sind Künstler, Rechtsanwalt und unterrichten auch. In Vorlesungen verwenden Sie ein präpariertes Lehrbuch mit einem pyrotechnischen Effekt: Eine Flamme schlägt aus dem Buch. Wollen Sie so die Studenten für das Urheberrecht begeistern? Oder können Sie es einfach nicht lassen, wie König Midas: Was er anfasst, wird zu Gold. Also: Was Sie machen, wird zum Kunstwerk?

Eine spannende Vorlesung kann man schon auch als Kunst verstehen, die nicht nur Wissen vermittelt, sondern neugierig macht, aufweckt, erstaunt.


Ihre Kunstinstallation im Freud-Museum „where does this message come from“ zeigte eine Hand eines Zauberers aus dem 19. Jahrhundert. Hat Ihr juristisches Fachgebiet, Intellectual Property (IP, geistiges Eigentum), etwas mit Zauberei und mit Geheimnissen zu tun?

Geheimnis ist ein wesentliches Grundprinzip jeder geistigen Schöpfung. IP beginnt immer mit einem Geheimnis. Solange ein Gedanke den Kopf nicht verlassen hat, kann niemand darauf zugreifen. Man muss ihn nicht rechtlich schützen. Es ist die Entscheidung des Einzelnen, ob und wann er seine Gedanken in Freiheit entlässt. Die Coca-Cola-Rezeptur ist bis heute ein Geheimnis!


Was versteht man in Ihrem Fachgebiet unter einem Geheimmuster?

Das ist ein Schutzinstrument für die Modeindustrie, die immer ein bis zwei Saisonen im voraus denkt und arbeitet. Man kann Design-Schutz im verschlossenen Kuvert anmelden, sich dadurch die Priorität sichern und dennoch das Geheimnis des nächsten Modetrends wahren.


Und wenn zwei sehr ähnliche Muster hinterlegen?

Dann hat derjenige, der als Erster hinterlegt, Vorrang.


Bei der Schutzwürdigkeit von geistigem Eigentum wird darauf abgestellt, ob eine Idee „originell“ ist, ob es sich um eine eigentümliche geistige Schöpfung handelt. Sähen Sie es als Künstler lieber, wenn der Kunstbegriff im Gesetz normiert wäre?

Nein! Gerichte sind keine Kunstzensoren. Es ist nicht ihre Aufgabe zu entscheiden, ob Kunst gut oder schlecht, angenehm oder unangenehm ist. Es wäre für die Kunst und für die Öffentlichkeit schrecklich, würde darüber gerichtet! Über die Eigentümlichkeit, die Individualität einer Leistung oder Idee, kann aber entschieden werden.


Materielle Werte kann man absichern, einsperren. Ist es für Künstler nicht verlockend, Werke einfach freizulassen? Können Sie sich eine Welt ohne geistiges Eigentum vorstellen, wie das Piraten im Internet erträumen?

Die Schutzwürdigkeit des geistigen Eigentums beruht auf einer Abwägung, einem gesellschaftlichen Grundkonsens über die Schutzgewährung und deren Grenzen. Gewisse Ideen werden von einer Gesellschaft als schützenswert normiert, andere, wie „Wir gehen heute ins Kino“, nicht. In der Antike gab es kein Urheberrecht, es ist erst mit dem Buchdruck entstanden. Heute ist die Schutzwürdigkeit geistigen Eigentums weitgehend unstrittig. Immer wieder neu verhandelt werden aber die Grenzen des Schutzes.

Und das Internet? Braucht man eine Rechtsschutzversicherung, wenn man sich darin bewegt?

Man sollte achtsam sein. Das Internet hat die Bedeutung des Rechtsgebietes der IP immens erhöht. Das Recht hinkt dem technischen Fortschritt nach. Eine rechtsfreie Zone ist das Internet aber keineswegs.


Vor Kurzem wurde im Nationalrat eine Novelle zum Urheberrechtsgesetz beschlossen. Es gibt nunmehr eine Speichermedienvergütung für Privatkopien auf PCs etc. Haben sich die Interessen der Künstler voll durchgesetzt?

Die Novelle war ein Kompromiss. Sie sieht einen Vergütungsanspruch für die Urheber vor, enthält aber auch Regelungen, die auf die Interessen der Verbraucher und der Wirtschaft Rücksicht nehmen.


Im Bereich der klassischen Musik hat sich Richard Strauss für Fristen im Urheberrecht eingesetzt, seither galten fünfzig, dann siebzig Jahre Schutzfrist, womit zwei Generationen am Geldsegen beteiligt sind. Heute lassen Urheber mit im Internet publizierten „urheberrechtlich freien Inhalten“ – „open content“ – die Allgemeinheit bewusst an ihrem Ideengut teilhaben. Sind Künstler und Kreative weniger gierig geworden?

Das glaube ich nicht. Es mag Beweggründe geben, das Wissen der Menschheit altruistisch vermehren zu wollen, aber auch im Bereich des open content überlegen Kreative oftmals sehr genau, welchen Marketingeffekt sie zumindest zurückbekommen.


Gibt es Parallelen zwischen dem Anwalts- und dem Künstlerberuf?

Kreativität. Die Fähigkeit zur klaren Botschaft, zur Problemlösung. Wenn ich zwischen Büro und Atelier wechsle, nehme ich nur ein anderes Werkzeug zur Hand, die Mission ist dieselbe.

Als Konzeptkünstler arbeiten Sie mit der Kamera und digitaler Nachbearbeitung. Als Sie in den 1970er-Jahren erstmals ausstellten, standen diese technischen Hilfsmittel noch nicht zur Verfügung. Wie haben Sie sich damals künstlerisch ausgedrückt?

Zeitgemäß. Es war die Hochzeit des Fantastischen Realismus. Die Götter hießen Ernst Fuchs, Wolfgang Hutter, Arik Brauer, Anton Lehmden. Ich wollte mich aber nicht als kleiner Epigone in eine Meisterklasse an der Akademie eingliedern. Das künstlerische Handwerk habe ich schon aus dem Gymnasium mitgebracht. Während die anderen nachmittags Fußball spielten, haben ein Kollege und ich Privatunterricht vom Zeichenprofessor erhalten.


Gehört zu einer Kunstausbildung nicht auch die Kunstgeschichte?

In die hat mich ein Onkel eingeführt, ein Jesuitenpater in Kalksburg. Er ging mit mir in Museen und hat mir jeweils ein Bild erklärt, mitsamt historischen, politischen und sozialen Umständen. Er wollte, dass ich verstehe, warum gerade dieses Bild so wichtig ist. Ich habe das „Pelzchen“ von Rubens damals trotzdem nicht toll gefunden . . .


Ihr Vater war Arzt. Wie dachte die Familie über einen Künstlersohn?

Es wurde ein Kompromiss ausdiskutiert: Ein halbes Jahr Kunst, ein halbes Jahr Studium – eine Aufteilung, die ich zugunsten des Kunstanteils wohl nicht so ganz ernst genommen habe. Bei der ersten Staatsprüfung fiel der Jungkünstler dementsprechend hochkant durch und musste das Atelier schließen, um sich dem Studium zu widmen. Die Prüfung bei Professor Schönherr im zweiten Studienabschnitt habe ich bravourös bestanden. Seine Vorlesung „Wettbewerbsrecht- und Immaterialgüterrecht“ – das war pures Leben! Geistig-kreative Schöpfungen, Marken, Urheberrecht, das begeistert mich. Ich wurde Schönherr-Assistent und trat in seine Kanzlei ein, wo ich bis heute arbeite.


Vor zehn Jahren, als Partner einer internationalen Kanzlei, die vorwiegend Unternehmen als Mandanten hat, haben Sie dann wieder ein Atelier eröffnet. Gibt es Klienten, denen Sie Ihr Künstlerdasein verschweigen?

Nein, die Mandanten sind positiv überrascht, wenn Sie erfahren, dass Ihr Rechtsberater neben fachlicher Kompetenz auch ein kreatives Leben hat. Gerade Manager aus der Wirtschaft verstehen diese Botschaft sehr gut. Sie erwarten keinen Paragrafenjongleur, sondern jemanden, der kreative Lösungen findet.


Was ist an der Contemporary Art spannend?

Es ist ein fantastisches Universum. Vieles muss man erst zu dechiffrieren lernen. Bei einem Renaissancebild verstehen wir die Sprache, Contemporary ist oftmals komplex codiert . . .


Ist es ein Hindernis, in der Kunstwelt wahrgenommen zu werden, wenn man erfolgreicher Jurist ist?

Ja. Man erlebt, wie überraschend eng das System ist. Es ist eine erhebliche Barriere, wenn man nicht so aussieht und lebt, wie sich Galeristen und Kuratoren das von einem Künstler erwarten.

Ziehen Sie sich um, wenn Sie als Künstler agieren?

Trotz Anwaltsoutfit habe ich in den ersten Galerien und Museen der Stadt ausgestellt. Aber es gab auch artikulierte Ablehnung. Als Anwalt ist man als Hobbykünstler willkommen; am liebsten sieht man Anwälte aber wohl als Sammler . . .


Investieren Sie privat in Kunst?

Ja, in meine eigene. Ich bin mein größter Sammler.

Steckbrief

Guido Kucsko, Jahrgang 1954, wird Künstler, studiert aber auf Druck der Familie Jus und spezialisiert sich als Anwalt auf IP (Intellectual Property – Geistiges Eigentum). Heute ist Kucsko Senior-Partner einer international agierenden Kanzlei und Honorar-Professor am Juridicum, wo er IP lehrt.

2005 hat Kucsko sein Atelier wiedereröffnet. Seine Ausstellungen sind konzeptionelle Arbeiten, etwa Videos und Installationen. 2013 stellte er im Sigmund-Freud-Museum aus, ein Jahr zuvor in der Galerie Ulysses.
Für das Wintersemester 2015 ist eine Textinstallation mit Studenten zum Thema IP am Juridicum in Wien geplant.

Herr Kucsko, darf man Sie auch fragen . . .

1 . . . ob Sie als Künstler schon einmal gegen das Urheberrecht verstoßen haben?
Nicht bewusst. Da habe ich als Jurist eine Hemmung eingebaut. Ich mache daher alle Fotos, die ich als Ausgangsmaterial verwende, selbst und kollagiere oder bearbeite nicht Fremdmaterial aus dem Internet oder anderen Quellen.

2 . . . ob es der Anerkennung als Künstler schadet, wenn man kein armer Künstler ist?
Für die Biografie ist Armut am Anfang ganz gut. Später kommt es nicht mehr darauf an, siehe Damien Hirst oder Jeff Koons . . .

3 . . . ob Sie schon einmal ein Kunstwerk gemacht haben, das nichts mit Intellectual Property zu tun hatte?
Jedes Kunstwerk ist Intellectual Property!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.08.2015)

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