Viele heimische Unternehmen nützen mit eigenen Werken in der Volksrepublik die günstigen Kosten und die Nähe zu den Kunden. Sie schärfen ihre Strategie nach, aber ändern sie nicht.
Die abgelaufene Woche war keine gute für die Börsen. In China ist mehr als ein Fahrrad umgefallen: Die schlechten Konjunkturdaten in Kombination mit der dreifachen Abwertung der Landeswährung Renminbi – der stärksten seit mehr als 20 Jahren – haben die Aktienmärkte rund um den Globus kräftig durchgebeutelt. Auch wenn Peking damit die eigenen Erzeugnisse wettbewerbsfähiger machen will – die Regierung schürte mit diesen drastischen Maßnahmen die Furcht vor einer Konjunkturabkühlung und einem weltweiten Währungskrieg.
Von Andritz über AT&S bis zu Semperit und Voestalpine reicht die Liste der österreichischen Firmen, die in China eigene Werke haben. Wie reagieren sie auf die Entwicklung? Warten sie ab und beobachten die Lage, ziehen sie sich zurück – oder expandieren sie jetzt erst recht? Die „Presse am Sonntag“ hat sich umgehört.
„In drei oder vier Jahren werden wir froh sein, dass wir so gehandelt haben“, sagt der als äußerst besonnen geltende Andritz-Chef, Wolfgang Leitner. Der Maschinenbaukonzern, der 13 Prozent des Umsatzes in China lukriert, hat sich soeben beim führenden Pressenhersteller Yadon eingekauft. Leitner ist überzeugt, dass das der richtige Schritt ist: „Die Chinesen werden weiter Autos kaufen, aber billigere aus eigener Produktion“, so seine Überlegung. Yadon beliefere die lokalen Produzenten. Weil sich aber die ökonomische Entwicklung „nur beobachten, aber nicht beeinflussen“ lässt, dreht Leitner an allen Schrauben, um die Strukturen auf mehr Flexibilität und Volatilität zu trimmen.
Auch die AT&S hält an ihrem umfangreichen China-Engagement fest. Der Hersteller hoch spezialisierter Leiterplatten hat vor Jahren Großteile der Produktion nach Shanghai verlagert und baut gerade um 480 Mio. Euro ein neues Werk in Chongqing, wo ab 2016 IC-Substrate – Schnittstellen zwischen Leiterplatten und Halbleiterchips – produziert werden. Die AT&S lukriert in China nicht nur enorme Kostenvorteile, sie ist auch direkt an wichtigen Kunden, etwa den Smartphoneherstellern. „Die Yuan-Abwertung verschafft uns – so wie allen Unternehmen, die vor Ort produzieren, Vorteile bei Produktionskosten“, sagt AT&S-Sprecherin Elke Koch. Die Abwertung müsste schon drastisch sein, dass sie sich im Eigenkapital auswirkte (die Assets in Yuan werden in Euro umgewertet).
Auf Expansionskurs bleibt auch die Voestalpine: Der Konzern folgt wie die AT&S nicht nur billiger Energie und günstigen Arbeitskosten, sondern auch den Kunden. In zwei im Bau befindlichen und dem geplanten Werk werden Karosserieteile für europäische Premiumanbieter erzeugt. Auch mit lokalen Autobauern ist man im Gespräch. Zudem ist ein Edelstahlwerk geplant.
„Wir sind in China ausschließlich in hoch spezialisierten Industriesegmenten, wie Automotive, Bahninfrastruktur und dem Maschinenbau tätig – in Zukunft wird auch die Luftfahrtindustrie zunehmend wichtiger. Wir sehen in all diesen Segmenten derzeit keine Eintrübungen“, sagt Voestalpine-Chef Wolfgang Eder. Die chinesische Stahlerzeugung sei für die Voestalpine irrelevant. „Die Verschiebung der Nachfrage hin zu anspruchsvollen Hightechprodukten in der chinesischen Volkswirtschaft bietet uns also weiterhin Wachstumschancen.“ Im Übrigen, so betont Eder, sollte man langfristige strategische Ziele und eher kurzfristige Finanz- und Kapitalmarktturbulenzen klar trennen.
„China ist für uns ein Faktum“, betont Lenzing-Sprecherin Angelika Guldt. Jetzt gehe es darum, wie man sich in dem veränderten Umfeld optimal aufstellt. Der weltgrößte Viskosefaserproduzent, der 60 Prozent seines Umsatzes in Asien und davon den Großteil in China macht, richtet gerade seine Strategie komplett neu aus. Sie soll Mitte November vorliegen. Das Werk in Nanjing wurde 2014 weitgehend abgeschrieben. China hat enorme Überkapazitäten aufgebaut und so die Faserpreise in den Keller geschickt.
Licht– und Schattenseiten spürt auch der Feuerfestkonzern RHI, der große Stahlkonzerne mit feuerfesten Auskleidungen für Hochöfen beliefert. Den Weltmarktführer, der in China drei Standorte mit 1600 Mitarbeitern und 100 Mio. Euro Umsatz betreibt und eine Beteiligung an einer Magnesiummine hat, belastet der Preisverfall bei wichtigen Metallen wie Aluminium, Nickel, Zinn und Kupfer, weil viele Rohstoffkonzerne sparen und die Ausgaben für ihre Schmelzanlagen zurückfahren. Andererseits profitiere der Konzern von den niedrigen Rohstoffpreisen, sagt RHI-Boss Franz Struzl.
„Wir produzieren in China für asiatische, brasilianische, aber auch westeuropäische Kunden und können den Kostenvorteil voll nützen“, sagt Struzl. Große Verwerfungen sieht er auch durch die Währungsabwertung nicht, die RHI halte an allen Standorten fest. Außerdem baut Struzl im Nachbarland Indien ein zweites großes Asien-Standbein auf.
Wachsender Wohlstand, hohe staatliche Investitionen in Gesundheit und die Überalterung – das ist der goldene Boden für den Gummikonzern Semperit, der China als einen der am stärksten wachsenden Absatzmärkte sieht. Derzeit werden Untersuchungshandschuhe aus den Fabriken in Thailand und Malaysia importiert. Handläufe für Rolltreppen, Schläuche sowie Förderbänder produziert Semperit schon in China – und profitiert von den wachsenden Städten und der Industrialisierung. „Diese Megatrends sind intakt“, heißt es im Konzern.
Rosenbauer verschenkt Joint Venture. Der Vorarlberger Seilbahnerzeuger Doppelmayr setzt darauf, dass Chinesen auch künftig das eigene Land bereisen und es für Touristen attraktiv bleibt. Im Werk nahe Peking werden schwere Stahlteile nur für den dortigen Markt gebaut. „Wir haben schon 59 Seilbahnanlagen installiert, die Nachfrage ist weiterhin da“, sagt Unternehmenssprecher Ekkehard Assmann.
Keine blutigen Nasen also? Der Feuerwehrspezialist Rosenbauer stieg aus dem 2005 begründeten Joint Venture aus und schenkte seine Anteile 2009 dem Partner Yong Quiang. Der Grund: Die strategischen Gewinnerwartungen sind nicht erreicht worden. Nun hat Rosenbauer nur noch eine Verkaufsrepräsentanz in China.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.08.2015)