Kroate wurde an IS verkauft

(c) REUTERS (STRINGER/IRAQ)
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Der Techniker, den IS-Schergen jüngst in Ägypten töteten, war erst von Kriminellen entführt und dann dem IS verkauft worden.

Der Mordfall an dem kroatischen Techniker Tomislav S. in Ägypten hat am Freitag eine brisante Wende genommen, die gewaltige Folgen für fremde Arbeitskräfte und Touristen in Ägypten haben könnte: Wie Kroatiens Regierung bekannt gab, wurde das Opfer in Kairo offenbar zunächst von Kriminellen entführt und erst Tage später an Mitglieder des Islamischen Staats im Lande ausgeliefert – vermutlich wurde er verkauft. S. hatte für eine französische Firma gearbeitet. Am Mittwoch veröffentlichte der IS Aufnahmen, die zeigen sollen, dass er geköpft wurde.

Neues brutales Geschäftsmodell? Kidnapping und Lösegelderpressung sind in Ägypten häufig, treffen vor allem Kopten und Mitglieder reicher Familien. Jetzt aber könnten Gangs dazu übergehen, ähnlich wie im Jemen, Irak und in Syrien, aus der Entführung von Ausländern und ihrem Verkauf an Jihadisten ein Geschäft zu machen. Für das Regime von Ex-Feldmarschall Abdel Fattah al-Sisi ist die bestialische Enthauptung ein empfindlicher Rückschlag im Bemühen, mehr Investoren und Touristen anzulocken. Ägypten erlebt seit Monaten einen Exodus ausländischer Fachkräfte, denen die Lage im Land angesichts täglicher Anschläge zu unsicher geworden ist. Mehrere westliche Botschaften erwägen, ihre Reisewarnungen für Ägypten zu verschärfen.

„Wir müssen die Sicherheitsvorkehrungen in den Feriengebieten verbessern“, räumte auch ein Vertreter der ägyptischen Tourismuskammer ein. Die französische Compagnie Générale de Géophysique (CGG), bei der S. beschäftigt war, und die in Ägypten nach Erdgas und Öl sucht, plant, die Zahl ihrer Mitarbeiter zu reduzieren. Der britische Ölmulti BP, der tausende Beschäftigte in Ägypten hat, erklärte, man beobachte die Entwicklung sehr genau.

Botschaften werden zu Festungen. Zahlreiche Botschaften verstärken seit dem Attentat auf das italienische Konsulat in Kairo im Juli sowie Bombendrohungen gegen Diplomaten ihre Außenmauern und installieren Sperren, um das Abstellen von Autos zu verhindern. Die deutsche Botschaft auf der Nil-Insel Zamalek wird mit einer Sprengschutzmauer umgeben, wie sie bereits die Botschaften im Jemen und im Irak besitzen.

Sicherheitsexperten rätseln, ob der Kroate ein Zufallsopfer war oder ausgesucht wurde, da er in der Ölbranche arbeitete. Laut CGG fuhr er am 22. Juli zum Kairoer Flughafen, er wollte in Urlaub gehen, als Vermummte seinen Dienstwagen stoppten und den zweifachen Vater in einen Minivan zerrten. Der ägyptische Fahrer kam frei, er sagte, die Täter hätten Arabisch mit beduinischem Akzent gesprochen; der von Beduinen bewohnte Sinai ist ein Hort des IS.

Acht Tage später forderten die Kidnapper per Mail an die Firma Lösegeld, ließen dann aber nichts mehr von sich hören. Am 5. August tauchte S. im Internet in einem IS-Video auf. Er kniete gefesselt im Sand und verlas eine Erklärung, in der er seine Tötung durch den IS ankündigte, sollten nicht innerhalb von 48 Stunden alle muslimischen Frauen in Ägyptens Gefängnissen freigelassen werden.

Lexikon

Der Sinai (rund 60.000 km2, etwa 1,4 Millionen Einwohner) hat sich in den vergangenen Jahren zu einem praktisch unregierbaren Ort entwickelt. Islamisten und Terroristen auch des IS übernahmen weitgehend die Kontrolle, Polizei und Armee sind meist auf die wenigen Städte beschränkt und werden selbst dort angegriffen. Die Tourismuszentren am Roten Meer, etwa Sharm el-Sheikh, sind wie Festungen gesichert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.08.2015)

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