RBI: Polen geht, Franken bleibt

(c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
  • Drucken

Aufgrund der gesetzlichen Unsicherheit überlegt Raiffeisen „intensiv“, die Polen-Tochter ohne Franken-Kredite zu verkaufen. Bei Bilanzzahlen stapelt man bewusst tief.

Wien. „Wir sind dort zu einem Spielball der Politik geworden.“ So kommentiert Karl Sevelda, Chef der Raiffeisen Bank International (RBI), am Mittwoch bei der Präsentation der Halbjahreszahlen die aktuelle Situation in Polen, wo im Oktober Parlamentswahlen anstehen. Wie berichtet wurde in der Vorwoche ein Gesetzesvorschlag im Unterhaus des Parlaments eingebracht, der den 500.000 polnischen Franken-Kreditnehmern unter gewissen Voraussetzungen eine Konvertierung in polnische Zloty ermöglicht – zu jenem Kurs, der bei der Aufnahme des Kredits gegolten hat. Da der Zloty seit dem Jahr 2007, als ein Großteil der Kredite vergeben wurde, um 50 Prozent gegenüber dem Franken abgewertet hat, würden dabei hohe Kosten entstehen. Die polnische Finanzaufsicht rechnet mit 5,2 Mrd. Euro für den gesamten Bankensektor.

Raiffeisen hat mit 3,2 Mrd. Euro an ausständigen Franken-Krediten knapp ein Zehntel des gesamten Volumens. Ob das Gesetz die Bank nun mit rund 500 Mio. Euro belasten werde, darüber wollten Sevelda und sein Finanzvorstand, Martin Grüll, am Mittwoch „nicht spekulieren“. Es sei nämlich noch lange nicht sicher, ob und in welcher Form das Gesetz komme. Denn erst am Dienstag habe sich Premierministerin Eva Kopacz von dem Gesetz wieder distanziert. Grund dafür ist, dass der Koalitionspartner in der Regierung im letzten Moment den Regierungsvorschlag mit der Opposition so abänderte, dass die Banken statt der Hälfte rund 90 Prozent der Kosten übernehmen müssten.

„Werfen Polen nicht in Panik auf Markt“

Doch auch, wenn noch nicht absehbar ist, wie teuer die Franken-Kredite Raiffeisen schlussendlich zu stehen kommen werden, ist schon jetzt klar, dass die Unsicherheit den geplanten Verkauf der Polen-Tochter deutlich erschwert. „Jeder Käufer preist derzeit natürlich das Worst-Case Szenario ein. Und wir werden Polen sicher nicht in voller Panik auf den Markt werfen“, so Grüll. Daher werde bei der Bank derzeit „intensiv darüber nachgedacht“, den bereits verzögerten Verkaufsprozess unter anderen Voraussetzungen weiterzuführen. Und zwar könnte das Franken-Portfolio aus der polnischen Tochter herausgelöst und diese so frei von Risken verkauft werden.

Das Franken-Risiko würde dann weiter in den Büchern der RBI bleiben. An der grundsätzlichen Strategie hinter dem Verkauf, durch einen Abbau der risikogewichteten Aktiva eine höhere Kapitalquote zu erzielen, würde das aber kaum etwas ändern. Ohne Franken-Portfolio würde ein Verkauf der polnischen Tochter die Kapitalquote um rund 1,1 Prozent steigern – um etwa 0,1 Prozentpunkte weniger als inklusive Franken.

Diesem strategischen Hauptziel, der Hebung der Kernkapitalquote auf zwölf Prozent per Ende 2017, sei man im ersten Halbjahr wesentlich näher gekommen, so Sevelda. Seit Jahresbeginn ist sie um 0,7 Prozentpunkte auf 10,7 Prozent gestiegen. Grund dafür ist einerseits die Reduktion von Aktiva – vor allem in Russland und der Ukraine –, andererseits die Einbehaltung von Gewinnen. Deutliche Verbesserungen gab es in der Ukraine, wo im zweiten Quartal aufgrund von Kursgewinnen sogar schwarze Zahlen geschrieben wurden. Eine echte Trendwende sei das aber noch nicht, weshalb sich, wie geplant, die Osteuropabank EBRD schon demnächst mit rund 25 Prozent an der Ukraine-Tochter beteiligen werde. In Summe konnte Raiffeisen im ersten Halbjahr einen Gewinn von 288 Mio. Euro verzeichnen – gegenüber 2014 ein Minus von 16,4 Prozent.

Im Vorjahr wurde im ersten Halbjahr jedoch ein – im Nachhinein wohl zu – positives Ergebnis ausgewiesen, das sich durch große Abschreibungen im dritten und vierten Quartal dann in einen Verlust wandelte. Auch heuer rechnet die RBI mit einem höheren Abschreibungsbedarf als in den ersten sechs Monaten. Vor allem in Russland sei die Verschlechterung des Geschäfts mit Firmenkunden bisher geringer ausgefallen als erwartet. Dies werde aber nicht so bleiben. Die notwendigen Kreditvorsorgen werden aber unter dem Niveau des Vorjahres liegen. Dass Sevelda einen Verlust für das Gesamtjahr dennoch nicht ausschließen will, dürfte mit einer veränderten Kommunikationspolitik zu tun haben. So scheint man aus den Fehlern des Vorjahres gelernt zu haben und nun lieber tiefzustapeln, um dann mit positiveren Nachrichten zu überraschen als umgekehrt. Eine Strategie, die am Mittwoch bereits aufging. So zeigten sich die Anleger über die besser als von den Analysten erwartet ausgefallenen Zahlen äußerst erfreut. Die Aktie lag zeitweise mit mehr als zehn Prozent im Plus und war der absolute Spitzenreiter im ATX. (jaz)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.