IWF-Berechnung: Schulden erdrücken Osteuropa

Strauss-Kahn.
Strauss-Kahn.(c) Reuters (Heinz-Peter Bader)
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Osteuropäische Länder müssen heuer noch 600 Mrd. Dollar für Kreditrückzahlungen auftreiben – Korrektur der „Rechenfehler“ im IWF-Stabilitätsreport ändert an trister Lage wenig.

Wien. Der Internationale Währungsfonds hatte sich, wie „Die Presse“ berichtete, bei der Berechnung des Kreditrisikos osteuropäischer Staaten – sehr zum Missfallen Österreichs – „verrechnet“ und musste aus diesem Grund seinen im April veröffentlichten „Global Financial Stability Report“ korrigieren. IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn hat sich dafür in der Vorwoche bei einem Wien-Besuch entschuldigt, für Finanzminister und Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP) ist die Sache damit „erledigt“.

Zumindest Letzteres könnte eine etwas voreilige Aussage gewesen sein. Denn Strauss-Kahn fügte seiner Entschuldigung hinzu, dass der „menschliche Fehler“ die Analyse der Situation in Osteuropa und im Rest der Welt nicht verändert habe. Das Risiko bleibt hoch.

Im Global Financial Stability Report sind die Daten unterdessen korrigiert. Und sie zeigen tatsächlich, dass sich durch die Korrektur des „Rechenfehlers“ an der sehr ernsten Situation für die Banken in Osteuropa praktisch nichts geändert hat.

Lage weiter sehr ernst

Wie berichtet hatte der IWF den Verschuldungsgrad einiger Länder grob überschätzt. Der Fehler passierte im Punkt „External Refinancing Needs in 2009“, unter dem die Refinanzierungserfordernisse in diesem Jahr in Relation zu den Währungsreserven gesetzt wurden – und für einige Länder Horrorwerte (etwa 425 Prozent für Litauen) ergaben.

Der Litauen-Wert wurde von 425 auf 204 Prozent reduziert, jener für die Ukraine von 208 auf 117, der für Tschechien von 236 auf 89 Prozent. Einige Länder (etwa Kroatien, Rumänien und Russland) bleiben gleich, bei Estland gab es sogar eine scharfe Korrektur nach oben (von 210 auf 346 Prozent).

Das heißt, Estland muss allein heuer für die Refinanzierung der Auslandsschulden (Staat und Unternehmen) viereinhalbmal so viel aufbringen wie es Währungsreserven hat. Nur bei Tschechien und Russland liegt der Refinanzierungsbedarf 2009 nach der Korrektur unter dem Wert der angehäuften Währungsreserven.

Wie ernst die Situation wirklich ist, sieht man erst beim gesamten Refinanzierungsbedarf 2009 der osteuropäischen Länder, die derzeit insgesamt auf 1700 Mrd. Dollar Auslandsschulden sitzen: Der wurde vom IWF von 700 auf 600 Mrd. Euro korrigiert.

Der Unternehmensberater und frühere Olivetti-Österreich-Chef Helmuth F. Karner, weist in einem Eintrag im Finanzwirtschaftsblog des Föhrenbergkreises (eines Diskussionskreises, dem unter anderem Industrielle wie Peter Mitterbauer, Georg Kapsch und Werner Tessmahr-Pfohl angehören) darauf hin, dass die Summe von 700 Mrd. Euro Refinanzierungserfordernis erst vom IWF in der jüngsten Ausgabe des Stability Report genannt worden ist. Vorher waren alle Experten von einem Refinanzierungserfordernis von „nur“ 400 Mrd. Dollar ausgegangen. US-Nobelpreisträger Paul Krugman hat seine viel kritisierte Aussage über den drohenden „Staatsbankrott“ Österreichs wegen der Osteuropa-Krise ebenfalls auf der Basis der 400-Mrd.-Dollar-Prognose gemacht. Dass der IWF die Rückzahlungsverpflichtungen Osteuropas für dieses Jahr unter diesen Umständen von 700 auf 600 Mrd. Euro reduziert, „beruhigt mich nicht“, meint Karner.

Der IWF malt demgemäß auch in seinem korrigierten Report ein düsteres Bild – vor allem für die dort tätigen Banken. „Auslandsbanken mit Töchtern in Emerging-Market-Ländern sind zu Hause mit wachsenden Kreditabschreibungen konfrontiert und werden sich bei der Kapitalisierung ihrer Töchter schwertun“, heißt es im Report. Deshalb sei es wahrscheinlich, dass die Rekapitalisierung der Bankentöchter in vielen dieser Länder „eine Herausforderung“ werde.

Es geht dabei schließlich um riesige Summen: Nach Ansicht des IWF belaufen sich die potenziellen Abschreibungen in Osteuropa auf 185 Mrd. Dollar. Weil der „Kapitalpuffer“ insgesamt nur 83 Mrd. Dollar betrage, gebe es einen „potenziellen Kapitalbedarf“ für die Banken von 102 Mrd. Dollar.

Österreich stark betroffen

Die überwiegende Mehrzahl der lokalen Banken ist in der Hand von westeuropäischen Banken, die sich, so der IWF, auf „einige wenige Länder“ (Österreich, Belgien, Deutschland, Italien und Schweden) konzentrieren. In Relation zum BIP seien Österreich, Belgien und Schweden besonders exponiert.

Die Ost-Tochterbanken seien zwar in hohem Ausmaß durch lokale Einlagen refinanziert, durch die Währungsabwertungen in vielen dieser Länder werde es aber immer schwieriger, „Fremdwährungskredite durch Einlagen in lokaler Währung zu refinanzieren“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2009)

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