USA: Neue Unruhen in St. Louis

(c) REUTERS (LAWRENCE BRYANT)
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Weiße Polizisten erschossen einen 18-jährigen Schwarzen, der eine Pistole auf sie gerichtet hatte. Es kam zu Protesten und Festnahmen.

Washington. Nach dem tödlichen Ende einer Razzia in einem Haus, wo die Polizei zum zweiten Mal binnen 18 Monaten illegale Schusswaffen und Crack-Kokain sicherstellte, kam es in der Nacht auf Donnerstag in der Stadt St. Louis im US-Bundesstaat Missouri zu gewalttätigen Ausschreitungen. Nachdem sich einige der rund 150 Demonstranten den Aufrufen der Polizei widersetzt hatten, ihre Straßenblockaden aufzulösen, und nachdem Polizisten mit Steinen und Flaschen beworfen worden waren, setzten die in großer Zahl angerückten Ordnungskräfte Reizgas ein und verhafteten neun Personen. Unruhestifter zündeten ein leer stehendes Haus sowie zumindest ein Auto an.

Der Anlass dieses Aufruhrs veranschaulicht, wie die seit mehr als einem Jahr in den USA geführte Debatte über die Gewalt mehrheitlich weißer Polizeibehörden gegen schwarze junge Männer zu entgleiten droht. Denn während die Demonstranten unter dem Motto „Black Lives Matter“ auch in diesem Fall einen von rassistischen Motiven getragenen Mord beklagten, stellt sich die Sachlage, zumindest nach Darstellung des Polizeichefs von St. Louis, gänzlich anders dar. Die beiden Polizeibeamten, deren Namen nicht veröffentlicht wurden, hätten sich am Mittwoch gegen 11.30 Uhr an die Adresse im heruntergekommenen Norden der Stadt begeben, um eine Hausdurchsuchung vorzunehmen. Der 18-jährige Mansur Ball-Bey und ein zweiter, derzeit noch flüchtiger junger Schwarzer hätten sich ihrer Verhaftung widersetzt, und auf der Flucht habe Ball-Bey eine Pistole auf die Polizisten gerichtet. Daraufhin hätten sie ihn mit vier Schüssen getötet. Sein Komplize habe zwei Schusswaffen getragen.

Armut, Waffen, Drogen

Im Zuge der Durchsuchung der Wohnung fanden die Polizisten vier illegale Schusswaffen sowie eine nicht näher quantifizierte Menge von Crack-Kokain. Die Waffe, die Ball-Bey auf die Beamten gerichtet hatte, hatte ein vergrößertes Munitionsmagazin und war als gestohlen gemeldet.

Der Norden von St. Louis ist einer der ärmsten und gewalttätigsten urbanen Räume in den Vereinigten Staaten. Nach dem massenhaften Abzug der Weißen in den 1950er- und 1960er-Jahren verließen ab den 1990er-Jahren auch große Teil der schwarzen Mittelschicht diese Gegend, um sich in Vorstädten wie Ferguson niederzulassen. Dort war es vor einem Jahr zu jener schicksalshaften Rangelei zwischen dem weißen Polizeibeamten Darren Wilson und dem unbewaffneten 18-jährigen Schwarzen Michael Brown gekommen, im Rahmen derer Wilson Brown erschoss. Browns Tod dient der Black-Lives-Matter-Bewegung seither als Beispiel für die strukturelle Gewalt vieler amerikanischer Polizeibehörden im Umgang mit jungen schwarzen Männern.

Der aktuelle Fall von Ball-Bey allerdings erfüllt, sofern die Angaben der Polizei stimmen, wozu es derzeit keinen Anlass für Zweifel gibt, nicht dieses Muster von weißer Behördengewalt gegen schwarze Harmlosigkeit. In demselben Haus hatte die Polizei bereits vor eineinhalb Jahren mehrere illegale Feuerwaffen gefunden. Der Straßenzug, an dem sich die Adresse befindet, ist für den Drogenhandel berüchtigt und wird seit Monaten von Schießereien und Überfällen geplagt: Alle Opfer sind schwarz, alle Täter und Verdächtigen ebenso. Bezeichnend ist der Fall eines 93-jährigen Weltkriegsveteranen, der zu den Tuskegee Airmen zählte, den ersten schwarzen Fliegern der US-Luftwaffe. Er war vergangene Woche in seinem Auto entführt worden, ehe man ihm selbiges stahl. Der Wagen wurde später gefunden; von den drei Tätern fehlt jede Spur.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2015)

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