Innenminister wollen EU-weite Definition sicherer Herkunftsstaaten und Aufnahmezentren an Außengrenzen.
Wien/Berlin/Brüssel. Dass in der Flüchtlingskrise Eile zum Handeln geboten ist, dürfte spätestens seit Beginn der jüngsten Migrationswelle gemeinsamer Konsens in EU-Hauptstädten und Kommission sein. Allerdings sehen beide die jeweils andere Seite in der Pflicht, endlich Initiativen zu ergreifen – wie auch das jüngste deutsch-französische Innenministertreffen in Berlin demonstrierte. „Es ist inakzeptabel, wenn die europäischen Institutionen in dem Tempo weiterarbeiten, wie sie das bisher tun“, kritisierte Thomas de Maizière (CDU) am Donnerstagabend nach einem Gespräch mit seinem Pariser Amtskollegen Bernard Cazeneuve. Bereits gefasste Beschlüsse müssten endlich umgesetzt werden, forderte er. Am kommenden Montag wollen sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Franąois Hollande mit dem Thema befassen.
De Maizière und Cazeneuve pochen einerseits auf eine einheitliche Definition, welche Staaten auf europäischer Ebene asylrechtlich als sichere Herkunftsländer gelten und künftig Flüchtlinge nicht mehr weiterschicken sollen. Dazu gehörten insbesondere auch die EU-Beitrittskandidaten, betonten die Minister. Andererseits solle dafür gesorgt werden, dass die geplanten „Hotspots“ für Flüchtlinge in Italien und Griechenland bis Ende des Jahres errichtet werden. Dabei handelt es sich um Aufnahmezentren, in denen Flüchtlinge durch Mitarbeiter der EU, lokale Behörden und Personal anderer EU-Staaten registriert und dann nach einer Quote auf die europäischen Staaten verteilt werden sollen. Auch soll dort eine Unterscheidung zwischen Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen getroffen werden: Jene, die keine Chance auf Asyl haben, sollen umgehend in ihre Heimatländer abgeschoben werden. Dafür müsse allerdings „relativ viel europäisches Geld aufgewendet werden“. Berlin und Paris erklärten sich gleichermaßen bereit, mit Beamten und Technik Unterstützung zu leisten.
De Maizière forderte die Kommission dazu auf, mehr Druck auf Länder wie Tunesien, den Senegal oder Marokko zu machen, ihre Landsleute auch zurückzunehmen. Entwicklungshilfe solle dann etwa nur bei Rückübernahme ausbezahlt werden, schlägt der Minister vor. Zwar wollen weder Deutschland noch Frankreich das Schengen-System und die Freizügigkeit durch offene Grenzen infrage stellen. Aber: Die damit verbundenen Regeln müssten eingehalten werden. Kontrollfreie Grenzen könnten ohne gemeinsame EU-Asylpolitik auf Dauer keinen Bestand haben.
EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos begrüßte den Vorstoß zwar. Allerdings erinnerte er auch daran, dass die Kommission bereits im Mai eine Migrationsagenda vorgelegt habe. Diese umfasst unter anderem den Vorschlag für ein fixes Quotensystem, auf das sich die Mitgliedstaaten bisher nicht einigen konnten.
Guterres mahnt Umdenken an
UN-Flüchtlingskommissar António Guterres mahnt die europäischen Länder deshalb zum Umdenken an. „Ich finde, dass die Diskussionen über Migration in Europa eher emotional als rational sind“, sagte er in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. Stattdessen sollte Europa endlich erkennen, dass „Migration Teil der Lösung von Problemen ist“. (Reuters, red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2015)