Was fliegt denn da? Drohnen im Alpenidyll

Was fliegt denn da?
Was fliegt denn da? Gabriele Grießenböck
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Über den Sommer sammelten Drohnen im Tiroler Alpbachtal Daten für neue Geländemodelle: als Basis für einen nachhaltigeren Alpintourismus.

Wer kürzlich eine Drohne vom Modell Falcon8 oder Quest200 im Tiroler Alpbachtal am Himmel entdeckt hat, hat sich zu Recht gefragt: Was ist hier los?

Die Erklärung hat wissenschaftliche Gründe. In den Sommermonaten wurde fortgesetzt, was bereits Mitte 2014 begann. Seither entwickelt im Tiroler Alpbachtal im Projekt Mount++ ein Konsortium aus Forschungs-, Wirtschafts- und Lokalpartnern ein Konzept für nachhaltigen Alpintourismus. Im Zentrum steht das Alpbachtal, für das der Weg zu einer Pionierdestination und energieautarken Vorbildregion wissenschaftlich fundiert geebnet werden soll. Damit ist es nicht nur für Sommergäste attraktiv, sondern auch als Freiluftforschungslabor für Forschende.

Drohnenbefliegungen kleiner Skigebiete sind ein Teil der Forschungsarbeit. Die Drohnen liefern Daten für hochaufgelöste, digitale Geländemodelle, welche die Basis für ein ressourcenoptimiertes Schneemanagement bilden. Fällt dann der erste Schnee, erfasst das satellitenbasierte System Snowsat zentimetergenau die Schneetiefe, und die Daten werden über eine Schnittstelle an das Beschneiungssystem Atassplus weitergeleitet.

„In dem Projekt wollen wir ein homogenes System erzeugen und die gesamte Kette vom Geländemodell über die Beschneiung bis zur Pistenpräparierung optimieren“, erklärt Projektleiter Paul Stampfl, Landschaftsökologe und Experte für Geoinformationssysteme sowie Arbeitsbereichsleiter Energie bei der AlpS GmbH.

Tonnenweise Wasser sparen

Die Experten gehen davon aus, dass das einen geringeren Kraftstoffverbrauch, weniger CO2-Emissionen und Einsparungen bei der Beschneiung um bis zu fünfzehn Prozent bringt. Unternehmenspartner Leica Geosystems, spezialisiert auf die Erfassung und Verarbeitung räumlicher Daten, rechnet vor: Bereits zwölf Prozent weniger Beschneiungsleistung bedeuten in einem Skigebiet mittlerer Größe 36.000 Kubikmeter weniger Wasserverbrauch pro Saison. Das entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Wasserverbrauch von etwa 180 heimischen Vierpersonenhaushalten.

Im Projekt, das vom Wissenschafts- und Technologieministerium im Comet-Programm gefördert wird, setzt man auf eine interdisziplinäre und ganzheitliche Herangehensweise. Das Konsortium umfasst drei Institute der Universität Innsbruck, das Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung der Universität für Bodenkultur, mehrere Unternehmenspartner wie etwa die Doppelmayr Seilbahnen GmbH und die Kässbohrer Geländefahrzeug AG und assoziierte Partner wie die Gemeinde Alpbach.

Dieser Mix könnte neue Maßstäbe in der Forschung zu nachhaltigem Tourismus im Alpenraum setzen, wo die Rahmenbedingungen besonders herausfordernd sind: Der Naturraum reagiert sensibel auf Veränderungen, etwa durch den Klimawandel. Außerdem treffen verschiedene Interessen – ökologische, ökonomische und soziale – aufeinander.

Und der Handlungsdruck steigt. Denn die Prognosen der Klimaforscher, dass die Temperatur bis 2050 um bis zu zwei Grad Celsius steigt, könnten gravierende Folgen für die Tourismuswirtschaft haben. Punktuelle Maßnahmen wurden vielerorts bereits gesetzt. Was fehlt, ist jedoch eine koordinierte Planung in einem größeren räumlichen Kontext, um Energieeffizienz, Tourismus und lokalen Umweltschutz unter einen Hut zu bringen. Dafür will Mount++ die wissenschaftliche Basis schaffen.

Planungsgrundlage schaffen

Globale Umweltziele prallen auf lokalen Naturschutz, wenn es um erneuerbare Energieträger geht, und speziell im Alpenraum birgt die Errichtung von Fotovoltaik- oder Windkraftanlagen viel Konfliktpotenzial. Energie-Infrastruktur ist neben E-Mobilität, Sichtbarkeit und Kommunikation deshalb einer der Projektschwerpunkte. Dem Energiepotenzial im hochalpinen Raum wird Energiesenken gegenübergestellt, so werden etwa drei PV-Forschungsanlagen bei der Bergstation der Wiedersbergerhornbahn errichtet.

„Eine integrale Planung ist für nachhaltigen Tourismus zentral. So könnten die Auswirkungen auf die Umwelt reduziert und der Wasserverbrauch minimiert werden“, sagt Stampfl. Die Grundlage, um Entscheidungen so zu treffen, dass ökonomische Rahmenbedingungen, ökologische Auswirkungen und soziale Akzeptanz berücksichtigt werden, ist im Entstehen.

Kunstschnee aus Windenergie

Derzeit baut das Forscherteam eine Geodatenbank für das Alpbachtal auf. Diese umfasst aktuell unter anderem Gebäude-, Klima-, Infrastruktur-, Verbrauchs- und Mobilitätsdaten sowie Energiepotentiale wie das Solarpotential und den Solardachkataster. Über Befragungen von und Diskussionen mit Einheimischen wie Gästen werden sozioökonomische Fragestellungen integriert. Mittels Geodaten- und Serverinfrastruktur können die Daten und Informationen schließlich verortet, Lücken aufgespürt und alles in einem räumlichen Kontext analysiert und bewertet werden. Die Ergebnisse sollen auch anderen Forschern zur Verfügung stehen.

Im Auswahlverfahren punktete das Alpbachtal auch damit, dass man durch das Forum Alpbach eine gewisse Offenheit gegenüber Veränderungen mitbringt. Darüber hinaus haben sich die Gemeinden Alpbach, Brixlegg und Reith i. Alpbachtal zur Klima- und Energiemodellregion Alpbachtal zusammengeschlossen.

Wohin sich der Alpintourismus entwickelt und wie er die Region verändert, wird hier jedenfalls nicht mehr dem Zufall überlassen. Ob Wintersportler dann wie im Schweizer Safiental mit einem Solarskilift transportiert werden oder wie im Skigebiet Sattel-Hochstuckli auf mit Windenergie erzeugtem Kunstschnee fahren? Im Projekt werden nun jedenfalls die Weichen für die Zukunft gestellt.

LEXIKON

Drohnen. Die Mini-Drohne Falcon8 von Ascending Technologies ist ein Oktokopter. Mit einem maximalen Abfluggewicht von 2,3 Kilogramm und ausgestattet mit High-Performance-GPS erreicht sie eine Fluggeschwindigkeit von 16 Metern pro Sekunde. Die Signale werden in Echtzeit an eine mobile Bodenstation gesendet. Drohnen sind im zivilen Bereich auch für Katastropheneinsätze von Interesse.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2015)

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