Österreichs Haus der Geschichte würde gut zum Morzinplatz passen

Zum Heldenplatz drängt doch alles. Trotz vieler Partikularinteressen könnte die Kulturpolitik des Landes vielleicht auch einmal richtig großzügig denken.

Anfang September tritt die Ethnologin Barbara Plankensteiner ihren neuen Job in den USA an. Die bisherige Vizedirektorin des Weltmuseums Wien, vormals Museum für Völkerkunde (MVK) am Heldenplatz, erhält eine leitende Position an der Yale University Art Gallery, einer bedeutenden Sammlung dieser Eliteschmiede. Eineinhalb Jahre nach dem turbulenten Abgang von Christian Feest im Herbst 2010 leitete die Südtirolerin das MVK interimistisch. Direktor wurde 2012 jedoch nicht sie, sondern der Niederländer Steven Engelsman. Er ist Mathematiker (Spezialgebiet: Differenzialrechnung im 17. und 18. Jahrhundert), als Ethnologe hingegen Autodidakt, wenn auch mit viel Praxis. Zudem soll er ein guter Netzwerker sein. Das braucht man in Wien. Immerhin hat er verkündet, dass sein Haus im Herbst 2017 endlich wieder eröffnet werden soll. Der längste Tiefschlaf seit Dornröschen.

Zum Abschied von Wien klang Barbara Plankensteiner, die dem Museum 18 Jahre angehört hat, wehmütig. Sie wies jüngst auf Ö1 auf die unglaubliche Fülle hin, die es in diesem Haus gibt: „Wir hätten gern etwas mehr gezeigt. Die Sammlung hätte es auch verdient, mehr zu zeigen.“


Das ist nobel untertrieben. Tatsächlich ist der Umgang der Politik mit diesem Museum symptomatisch dafür, wie verzagt hierzulande Kulturpolitik betrieben wird. Das Museum für Völkerkunde, das in der Neuen Burg, im krönenden Abschluss des Ringstraßenprojekts, untergebracht ist, enthält eine der wichtigsten Sammlungen der Welt. Jedes andere Land wäre stolz darauf. Derzeit boomt in vielen Metropolen die Ethnologie, man sehe sich nur das 2006 eröffnete Musée du quai Branly in Paris an. Was aber macht Österreichs Regierung seit 15 Jahren? Sie entmachtet die VKM-Direktion, schließt den Großteil der Sammlungen unter dem Vorwand der Renovierung für Jahre weg, verzögert diese, um schließlich eine Verkleinerung des Museums anzukündigen.

„Cut and grow“ nennen das Manager in den härtesten Branchen. In diesem Fall wurde das Haus zugunsten anderer Projekte gestutzt, seit Ministerin Elisabeth Gehrer (VP) es in den Verbund des Kunsthistorischen Museums eingegliedert hat. Solche Synergien können Sinn ergeben, aber das gilt hier wohl nicht für das Völkerkundemuseum. Es wurde Schritt für Schritt entmündigt. Was hat man inzwischen nicht alles an Gedanken angestellt mit ihm! Erst hieß es Zusammenlegung mit dem Volkskundemuseum, nun heißt es unter Minister Josef Ostermayer (SP) Wohngemeinschaft mit einem Haus der Geschichte. Für die Ethnologen ist das garantiert ein Verlustgeschäft. Schon bisher gingen Räume verloren. Auch die Nationalbibliothek hat – ebenfalls berechtigte – Partikularinteressen. Am Heldenplatz herrscht Platzmangel.


Das geplante Haus für Völker- und Heimatkunde scheint also ein Allerweltsmuseum zu werden, selbst wenn eine Begründung für den Standort ehrenwert ist: Durch ein neues Haus der Geschichte wird die dunkle Vergangenheit dieses Gedächtnisraums gewissermaßen exorziert. Ostermayers Pläne dürften aber auch anders motiviert sein. Er spart dadurch kurzfristig viele Millionen Euro, mag dadurch auch vieles von der Substanz der Ethnologie in den Keller wandern und zudem die Sammlung alter Musikinstrumente ausgelagert werden.

Weise ist das nicht. Warum will die Regierung, die maroden Banken, Bahn und Bauern Milliarden umsonst nachwirft, so ungern in Kultur investieren, die sich langfristig immer rentiert? Liebe Große Koalition! Geben Sie der Nationalbibliothek so viel Tiefspeicher wie nötig und auch noch einen Leseturm am Heldenplatz. Investieren Sie in ein zeitgemäßes Weltmuseum am Heldenplatz, statt ihm ein paar historische Showrooms hinzuzufügen. Wer weiß, ob es auf Dauer vernünftig ist, ein Haus der Geschichte so nah an den Zentren der Macht am Ballhausplatz zu platzieren. Geben Sie es in einen fantastischen neuen Bau, der vom Schwedenplatz bis zum Morzinplatz reicht, auf dem einst die Wiener Gestapo-Zentrale stand; in einen Bau, über den die Welt reden wird. Dort könnte die Stadt zudem mühelos ihr Wien-Museum unterbringen. Denn auch diese Metropole hat historische Verpflichtungen.

E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2015)

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