"Ärzte ohne Grenzen": Traiskirchen ist "gesundheitsschädigend"

"Ärzte ohne Grenzen": Traiskirchen ist "gesundheitsschädigend"APA/HANS KLAUS TECHT
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Die medizinische und psychosoziale Versorgung in dem Asylzentrum ist laut der Hilfsorganisation "völlig unzureichend".

Die Unterbringung und das Angebot an sanitären Anlagen in Traiskirchen ist für die Flüchtlinge dort "unmittelbar gesundheitsschädigend". Das ist das Ergebnis eines Berichts der Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen", die das Lager im August zwei Mal besuchte.

"Die Aufnahmebedingungen verletzen nicht nur die Rechte, sondern auch die Würde von Menschen, die in Österreich Schutz suchen", sagte Mario Thaler, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen Österreich, in einer Aussendung am Dienstag. Die medizinische und psychosoziale Versorgung sei "völlig unzureichend". 

"Schwangere sind teilweise unter inakzeptablen Bedingungen in Zelten untergebracht und insgesamt nicht ausreichend über ihre Möglichkeiten der medizinischen Versorgung informiert", heißt es in dem Bericht. Lagerbewohner und private Helfer haben laut "Ärzte ohne Grenzen" von mehreren Geburten im Freien und auch von Totgeburten berichtet. Dazu habe es von vonseiten der Lagerleitung keinen Kommentar gegeben. Auch die medizinische und psychosoziale Betreuung der Kinder im Lager sei "völlig mangelhaft, die Unterbringung im Freien muss als gesundheitsgefährdend bezeichnet werden".

"Die zahlreichen Mängel im Bereich der Sanitäranlagen verringern die Möglichkeiten der persönlichen Hygiene und stellen ein unmittelbares Gesundheitsrisiko dar", so "Ärzte ohne Grenzen". Die Duschen hätten keine Vorhänge oder Türen und seien "vollkommen frei einsehbar". Bei keiner einzigen Dusche bestehe die Möglichkeit, Handtücher oder Wäsche so aufzuhängen, dass sie während des Duschens nicht nass werden. Die Duschen seien zudem baulich nicht von den Toilettenanlagen getrennt und es gebe viel zu wenige Toiletten.

Bei vielen Toiletten funktioniere zudem die Spülung nicht. Die Räume hätten teilweise keine Beleuchtung, was die Verwendung in der Nacht zu einem Sicherheitsrisiko mache. Die mobilen Toiletten hätten keinerlei Beleuchtung und seien damit in der Nacht de facto nicht benutzbar.

Zu wenig Ärzte

Die medizinische Versorgung in der Betreuungsstelle werde von insgesamt elf Ärzten durchgeführt, die bei der Betreiberfirma ORS unter Vertrag stehen. Wochentags von 9 bis 17 Uhr sei eine Präsenz von vier praktischen Ärzten vorgesehen. In der Nacht sei kein medizinisches Personal anwesend. Die Ärzte beginnen den Arbeitstag laut eigenen Angaben mit den Erstaufnahmeuntersuchungen. Erst danach werden Menschen mit akuten Beschwerden gesehen. Dazu gebe es ein Nummernsystem, das Berichten der Bewohner zufolge nicht funktioniere, da bei weitem nicht alle ausgegebenen Nummern bis 17 Uhr an die Reihe kommen. Am Folgetag müsse eine neue Nummer gezogen werden.

Die psychosoziale Betreuung sei nur in Ansätzen vorhanden und entspreche nicht den zeitgemäßen Standards, bemängelte die Hilfsorganisation. Bewohner und private Helfer hätten von 17 Selbstmordversuchen berichtet, so "Ärzte ohne Grenzen". Kritisiert wird weiters, dass es den Vertretern des Ministeriums, dem Sicherheitspersonal und anderen Angestellten immer wieder an Empathie mangle und sie "eine gewisse Ungeduld und Ignoranz oder abgestumpfte Genervtheit gegenüber den Anliegen der Bewohner des Zentrums" zeigen.

Die Hilfsorganisation hat ihren Bericht heute dem Innenministerium vorgelegt und hat die Verantwortlichen in einem konstruktiven Gespräch aufgefordert, Verbesserungsmaßnahmen umzusetzen.

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(APA)

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