Georg Schima, Rechtsanwalt und Professor an der WU Wien, plädiert für eine großzügigere Regelung der Verfahrenshilfe für weniger Vermögende.
Österreich sollte den Zugang zu Gericht für sozial Schwächere erleichtern. Das fordert Georg Schima, Wirtschaftsanwalt und Honorarprofessor an der WU Wien, anlässlich der Alpbacher Rechtsgespräche, die gestern eröffnet wurden. „Ein Staat, der sich wie Österreich dessen rühmt, dass die Kosten der Justiz durch Gebühren zu 110 Prozent gedeckt sind, müsste ein deutlich fürsorglicheres System der Abhilfe für sozial Schwächere bereitstellen, damit sie ihr Recht durchsetzen können“, sagt Schima im Gespräch mit der „Presse“.
Die Voraussetzungen, um mittels Verfahrenshilfe eine kostenlose Rechtsvertretung fürs Prozessieren zu bekommen, sind ziemlich streng. Man bekommt sie nur, wenn man nicht in der Lage ist, die Prozessführung zu finanzieren, ohne den „notwendigen Unterhalt“ zu beeinträchtigen, der für eine „einfache Lebensführung erforderlich“ ist.
Aussteigen oder Zocken
Das führe dann dazu, dass es beispielsweise in den unzähligen Anlegerverfahren rund um Verluste im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise praktisch keine Verfahrenshilfe gebe. Denn: Ein Kleinanleger, der etwa wegen 10.000 Euro prozessiert und noch weitere 10.000 Euro an Ersparnissen hat, könne keine Verfahrenshilfe in Anspruch nehmen. „Und das, obwohl das der Betrag ist, der an Kosten zusätzlich draufgeht, wenn er verliert und nicht rechtsschutzversichert ist.“ Der Kleinanleger stehe also vor der Wahl: „Lasse ich es, oder zocke ich?“ Ein rational denkender Mensch werde sich freilich hüten, „dem guten Geld schlechtes nachzuwerfen“, sagt der Wirtschaftsanwalt.
Schima, der in Alpbach zum Thema „Präventivwirkung zu Gunsten Schwächerer organisieren“ diskutierte, hält die Situation vor allem deshalb für untragbar, weil die Gerichtsgebühren in Österreich im internationalen Vergleich extrem hoch sind (Verfahrenshilfeempfänger sind davon befreit). Eine substanzielle Änderung bei den Gebühren sei nicht zu erwarten, nachdem der Verfassungsgerichtshof sie als verfassungskonform beurteilt habe. Das habe der VfGH angesichts des Fehlens einer Deckelung der Gebühren – sie steigen ohne Limit mit dem Streitwert – nur tun können, indem er sie als eine Art Steuer einstufte.
Aber: „Bei derart prohibitiv hohen Gerichtsgebühren verstehe ich nicht, wieso wir eine so schlechte Verfahrenshilfe haben.“ Schima ist in der Anwaltskammer für Fragen der Verfahrenshilfe zuständig. Seiner Meinung nach sollte auch für die Anwälte, die ja die Verfahrenshilfe zu erbringen haben, umgedacht werden. Die Gegenleistung des Staates dafür, dass Anwälte kostenlos vertreten, besteht im Wesentlichen darin, dass er ins anwaltliche Pensionssystem einzahlt. Für den Einzelnen sei das aber eine nur sehr mittelbare Gegenleistung. Ein Anwalt, der bloß die Aussicht habe, in 30 Jahren eine Gegenleistung bei der Altersversorgung zu erhalten, „wird sich gar nicht so anstrengen können, dass er einem hochprofessionellen Beklagtenvertreter auf Augenhöhe begegnen kann“, sagt Schima.
Entlohnungssystem ändern
Schima plädiert für eine direktere Entlohnung, wie sie derzeit nur ausnahmsweise vorgesehen ist: Nur dann, wenn in einem Verfahren mehr als 50 Verhandlungsstunden oder zehn Verhandlungstage anfallen, erhält der Anwalt den darüber hinausgehenden Aufwand ersetzt. In der Praxis kommen dafür nur große Wirtschaftsstrafverfahren in Betracht. In Zivilprozessen, und seien sie noch so groß, gibt es solche Terminpläne nur äußerst selten.