Intelligente Steuerungen: Komplexer, aber einfacher

Micron Technology Inc. Memory Chips As China-Backed Takeover Bid Seen Facing Tough U.S. Review
Micron Technology Inc. Memory Chips As China-Backed Takeover Bid Seen Facing Tough U.S. Review(c) Bloomberg (Tomohiro Ohsumi)
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Wie Prozessoren trotz der immer höheren Komplexität stabil produziert werden können, erklärt Informatiker Radu Grosu.

Ihr Auto besitzt mehr als 40 Prozessoren und über 60 Sensoren und Schaltelemente, die von einer Million Zeilen Programmiercode kontrolliert werden. Das ist mehr Rechenleistung als das Space Shuttle, das Neil Armstrong 1969 auf den Mond brachte. Allein unser Handy hat heute mehr Leistung als der erste Supercomputer von 1975. Setzt sich dieser Trend fort, „werden in wenigen Jahren auf jeden Menschen auf der Erde mehr als tausend solcher Embedded Systems kommen“, sagt Radu Grosu vom Institut für Computerentwicklung an der TU Wien. In seiner Arbeit beschäftigt er sich unter anderem damit, wie ein so großes IT-Netzwerk kontrolliert werden kann, damit es nicht zu Systemausfällen und Unfällen kommt.

„Die Antwort sind digitalanaloge Schaltkreise, die solche cyber physikalische Systeme (siehe Interview oben) steuern und erst „intelligent“ machen“, erklärt Grosu. Solche Hybridschaltelemente sind unter anderem in Autos verbaut und bestehen aus zwei Teilen: Der erste Teil, ein digitaler Mikrokontroller, steuert so wichtige Prozesse wie zum Beispiel das Auslösen des Airbags. Der zweite Teil ist ein analoger Schaltkreis, der eine gute Wärmeleitfähigkeit besitzt. „Das ist notwendig. Durch solche Elemente fließen eine kurze Zeit Ströme, die eine Temperatur erzeugen, wie sie auf der Sonne vorherrscht. Werden diese Impulse nicht gesteuert, verbrennt der Chip binnen kürzester Zeit und es kommt zu einem Systemausfall“, so Grosu.

Chips auf Fehler überprüfen

Die Forscher entwickeln daher Methoden, solche hochkomplexen Chips auf Produktionsfehler und andere Mängel zu überprüfen. „Im Projekt HARMONIA (Hardware Monitoring for Automotive) betrachten wir den Designprozess solcher nano- und mikrostrukturierter Elemente und helfen Entwicklern, dass Chips die richtigen Signale an die richtige Stelle transportieren“, sagt Grosu. „Das Problem bisher: Diese virtuellen Tests waren sehr langsam. Daher kamen wir auf die Idee, die Testprogramme direkt in die Hardware einzuprägen. Das nennt man auch Chip-Emulation.“

In einem anderen Projekt namens EMC2 werden die chemisch produzierten Chips auf Produktionsfehler untersucht. „Und das noch bevor der Chip in Produktion geht und diese Fehler überhaupt erst entstehen können“, fügt Grosu hinzu. Was wie Zukunftsvorhersage klingt, basiert in Wahrheit auf Testmustern, die einen Produktionszyklus virtuell von Anfang bis Ende durchlaufen, um die gewünschte Qualität sicher zu stellen. Die Forscher möchten diese Simulation, die früher Wochen in Anspruch nahm, auf einen Bruchteil der Zeit minimieren und sagen können, welcher Prozess in einer Kette aus mehreren hundert Schritten den Fehler erzeugt hat. „Man muss Messungen miteinander vergleichen und Korrelationen herstellen, um diese Fertigungskette zurückverfolgen zu können. Das ist höchstkomplex.“

In Produktionsanlagen nach dem Industrie-4.0-Prinzip laufen solche Prozesse künftig zur Gänze automatisiert ab. Neue Verfahren und Applikationen im Bereich „Machine Learning from Big Data“ werden riesige Datenmengen auswerten, was uns, so Grosu „sehr viel Arbeit abnimmt und Wohlstand, verbesserte Produkte, ein längeres Leben und mehr Zeit auf diesem Planeten“ ermöglichen wird. Aber um welchen Preis sind wir Menschen dazu bereit?

Ein wichtiger Begriff in der Diskussion wird vor allem „Sicherheit“ sein. Zum Beispiel beim Thema autonomes Fahren. „Vertrauen Sie ihrem Auto?“, fragt Grosu und liefert gleich die Antwort: „Wenn mein Auto besser, zuverlässiger und sicherer fährt als ich, dann ja.“ Noch sind solche Thesen nur ein Gedankenspiel vor dem zugezogenen Vorhang der Bühne Zukunft. Die Probeaufführung wird aber nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen. „Spätestens dann müssen Gesetze existieren, die etwa in den Bereichen Smart Health oder Smart Mobility verhindern, dass Patientendaten oder Informationen zu Standort oder Reiseroute in die falschen Hände geraten. Politik und Rechtsstruktur müssen hier einbezogen werden.“

Nicht überholt werden

Wie steht unsere Gesellschaft zu solchen Technologien – und inwieweit bleiben wir noch eine „mündige Gesellschaft“? „Erfindungen sind immer ein wenig schneller als die Gesellschaft, für die sie gemacht werden“, sagt Grosu. Wenn wir es aber schaffen, als Gesellschaft auf gleicher Geschwindigkeit zu agieren, werden uns diese Entwicklungen von Nutzen sein, anstatt uns zu überholen.“ (mfw)

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