Flüchtlinge dominieren Faymanns Eröffnungsrede

Küsschen für die Kanzlerin: Bundeskanzler Werner Faymann empfängt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Küsschen für die Kanzlerin: Bundeskanzler Werner Faymann empfängt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel.(c) APA/EPA/GEORG HOCHMUTH
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Bundeskanlzer Faymann fordert zur Eröffnung der Westbalkan-Konferenz erneut Quoten. Die Westbalkan-Staaten sollen eine "Beitrittsperpektive" haben.

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat am Donnerstag in Wien eine Konferenz zur EU-Annäherung der Westbalkan-Staaten eröffnet. Die Flüchtlingsproblematik hat sich prominent auf das Programm gedrängt, wie in Faymanns Eröffnungsworten deutlich wurde.

An die anderen EU-Mitglieder gerichtet forderte der Kanzler erneut eine "faire Verteilung" von Asylsuchenden via verpflichtender Aufnahmequoten sowie eine gemeinsame Sicherung der EU-Außengrenzen. Ohne diese "werden wir diese Herausforderung nicht lösen können", erklärte Faymann. Scharf verurteilte er Schlepper, die am Leid von Flüchtlingen verdienen. Auch gegen sie anzukämpfen sei eine "gemeinsame Pflicht".

In Wien tagen die Ministerpräsidenten der sechs Westbalkan-Staaten, die sich der EU annähern: Serbien, Bosnien, Montenegro, Mazedonien, Albanien und Kosovo. Parallel dazu tagen die Außen- und die Wirtschaftsminister. Die EU ist u.a. durch die Außenbeauftragte Federica Mogherini und Erweiterungskommissar Johannes Hahn vertreten. Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die im Vorjahr eine erste derartige Westbalkan-Konferenz in Berlin ausgerichtet hatte, ist gekommen.

Unterstützung für Ifrastrukturprojekte

Die sechs Reformstaaten - mit Ausnahme von Albanien alle aus Jugoslawien hervorgegangen - erhoffen sich von der Konferenz vor allem europäische Unterstützung für grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte auf Straße und Schiene und im Energiebereich. Im Vorfeld war von einem Volumen von 655 Millionen Euro die Rede. Zudem soll auf der Konferenz die Errichtung zweier Zentren in Tirana und Belgrad akkordiert werden, die den Jugendaustausch zwischen der Region und den EU-Staaten forcieren sollen. "Verbindungen stellt man nicht nur über Investitionen her, sondern über Menschen", betonte Faymann in seiner Eröffnungsrede.

Österreich setzt sich sehr dafür ein, dass die sechs Westbalkan-Staaten eine greifbare Beitrittsperspektive haben. Faymann verwies auf starke wirtschaftliche Verflechtungen mit der Region und strich hervor, dass österreichische Unternehmen selbst in Zeiten der Wirtschaftskrise "nicht weggegangen" seien.

Keine gegenseitige Blockade

Untereinander wollen die sechs in Wien in einer Erklärung festhalten, sich bei der EU-Annäherung nicht gegenseitig zu blockieren und "alle offenen bilateralen Fragen" zu klären. Das betrifft vor allem Serbien und den Kosovo, denen die EU einen Normalisierungskurs verordnet hat. Serbien will die Unabhängigkeit seiner früheren Provinz nach wie vor nicht anerkennen und torpediert die Aufnahme des Kosovo in internationale Organisationen. Bisher waren es freilich eher EU-Staaten, die Widerstand gegen die Aufnahme eines neuen Mitglieds leisteten. So blockierte Slowenien wegen eines Grenzstreits die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien. Griechenland verhindert seit zehn Jahren im Streit um den Staatsnamen des Nachbarn, dass Beitrittsgespräch mit Mazedonien aufgenommen werden.

Aber nicht nur Transitflüchtlinge werden bei der Konfernez thematisiert. Auch zahlreiche Bürger der Westbalkan-Staaten, insbesondere dem Kosovo, aber auch Serbien wollen in der EU Asyl erhalten - vor allem in Deutschland. Ende 2014, Anfang 2015 war die Zahl der Anträge von Kosovaren in Österreich und Deutschland trotz äußerst geringer Chancen auf einen positiven Bescheid in die Höhe geschnellt. Während mittlerweile wieder kaum mehr Kosovaren um Asyl in Österreich ansuchen und im Mai der Nationalrat ein beschleunigtes Asylverfahren für "sichere Herkunftsstaaten" von maximal fünf Monaten möglichst aber innerhalb von eineinhalb Wochen beschloss, war in Deutschland mit 33.000 die Zahl der Anträge noch mehr als elf Mal so groß wie vor einem Jahr. Im laufenden Jahr stammten bisher mehr als 40 Prozent aller Asylanträge in Deutschland von Menschen aus den sechs Nicht-EU-Staaten des Westbalkan.

Vorigen Herbst stufte die deutsche Regierung Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien als "sicher" ein, Albanien, Montenegro und der Kosovo sollen folgen, wobei Berlin und Paris in der EU auf eine gemeinsame Einstufung als "sichere Herkunftsstaaten" dringen wollen. Dem Vernehmen nach wollen alle sechs Länder auf der Konferenz bestätigen, dass sie sich jeweils selbst als sichere Herkunftsländer sehen.

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(APA)

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