Alpbachs Dolmetscher: (Fast) 100 Prozent Frauen

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Dolmetschkammerl(c) Katharina Roßboth
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Zwei Wochen lang bieten insgesamt 18 Dolmetscher simultane Verständigung in Englisch und Deutsch an. Sie arbeiten "pro bono".

Es sind fünf Quadrate, die sich auf der Rückwand des Erwin-Schrödinger-Saals finden. Bei genauem Hinsehen lassen sich Silhouetten ausmachen. Sie sind zu zweit, tragen Kopfhörer, sprechen in Mikrofone. „Die Dolmetscher sind ein bisschen das Herz des Forums“, sagt Ingrid Kurz, die für deren Koordination zuständig ist. Neun Personen sind pro Woche im Einsatz. „Es ist ein Mix aus Erfahrenen und Studienabsolventen aus Österreich und Deutschland“, sagt die 71-Jährige, die noch bis Jänner dieses Jahres am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien unterrichtet hat.

Kurz ist seit 1965 fixer Bestandteil des Forums: „Ich kam von der Uni, Alpbach war mein erster Auftrag.“ Heute übersetzt sie nur noch freiberuflich. Ihre Sprachkombination: Deutsch – Englisch. Und damit genau jene zwei Sprachen, die beim Forum verlangt werden. „Bis in die 1980er wurde auch Französisch gedolmetscht, bis in die 1990er Italienisch“, so Kurz. Andere Sprachen werden nur auf Anfrage angeboten. „Wir ermöglichen das gerne, es soll sich niemand wegen mangelnden Vokabulars unter Wert verkaufen“, betont die Dolmetscherin.

Rollboxen als Arbeitsplatz

Neben den Sprachen änderten sich auch die Räumlichkeiten: Vor dem Bau des Paula-Preradović-Hauses wurde etwa im Alpbacherhof getagt. „Wir saßen in einem Holzverschlag mit Blick hinein; ein Kollege hatte einmal einen Obstler gegen die Kälte mit“, sagt Kurz. Heute wird im Schrödinger- und Liechtenstein-Hayek-Saal gedolmetscht; zum Unmut der Betroffenen. „Es gibt keine fixen Kabinen“, sagt Dolmetscherin Verena Brinda: „Mobile Boxen werden hineingerollt, die eng und stickig sind.“ Oft würden Teilnehmer direkt davor sitzen und die Sicht behindern: „Das erschwert das Arbeiten, da wir die Mimik der Sprechenden brauchen, um Gesagtes in den richtigen Kontext zu betten.“

Auch relevant sind die Unterlagen der Vortragenden, um sich auf die Debatten einstellen und bei Bedarf das Fachvokabular nachschlagen zu können – zumindest theoretisch. „Leider gibt es immer weniger Unterlagen von den Vortragenden“, sagt Brinda. „Man hilft sich dann, indem man sich – falls vorhanden – Videos von den Rednern ansieht, um sich einzuhören“, ergänzt Kurz. „Oft kann man trotzdem nur nachplappern. So sagte ein Vortragender einst: ,A black hole has no hair.' Was er meinte, weiß ich bis heute nicht“, sagt Kurz, der Kosmisches dabei gar nicht so fern liegt. Immerhin übersetzte sie bei der Mondlandung der Apollo 11 im Jahr 1969, was ihr den Beinamen „Mondfrau“ einbrachte.

Apropos: Aktuell dolmetschen drei Männer und sechs Frauen, nächste Woche sind es 100 Prozent Frauen – bei den Rednern sind es nur 39 Prozent. Und: „Wir machen das pro bono“, sagt Kurz, „bekommen folglich keine üblichen Honorare bezahlt.“ (hell)

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