Oberösterreich: Wahl zwischen Asyl und viel (Heimat-)Gefühl

(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
  • Drucken

Die Flüchtlingsfrage dominiert die Landtagswahl, dabei würden ÖVP und SPÖ gern über anderes reden. Es ist ein Wahlkampf geprägt von Stimmungen. Die Roten drehen den Spieß um und rechnen mit „blauen Hydranten“ ab.

Linz/Eferding. Die Nachricht über die Leichname von 71 Flüchtlingen in einem Lkw auf der Ostautobahn legte sich bleischwer über den Wahlkampf in Oberösterreich vier Wochen vor der Landtagswahl am 27. September. An diesem „Tag der Trauer und Betroffenheit“ (Landeshauptmann Josef Pühringer) verzichtete die ÖVP auf Wahlkampfaktivitäten, ein großer Jung-Event wurde abgesagt. Der Koalitionspartner im Land, die Grünen, sagten ihren Kampagnenstart ab und wollen 24 Stunden Pause machen.

► Asylthema überlagert alles: Der Massentod der Flüchtlinge stellt endgültig alles andere im Wahlkampf in den Schatten. Schon bisher war der Asylwerberzustrom und die schwierige Suche nach Quartieren bei den 1,1 Millionen wahlberechtigten Oberösterreichern das vorrangige Thema gewesen. Zum Leidwesen von ÖVP und SPÖ, die den Ärger der Bevölkerung, dass die rot-schwarze Regierung in Wien die Asylprobleme kaum bewältigen kann, zu spüren bekommt. Im Wahlkampf hätten ÖVP-Landeschef Pühringer und Vizelandeshauptmann SPÖ-Spitzenkandidat Reinhold Entholzer das Thema lieber möglichst ausgeklammert, weil sie nur die FPÖ als politischen Profiteur sehen. Bei der Vorstellung des „Oberösterreich-Plans“ kam den ÖVP-Spitzen lange nicht einmal das Wort Asyl über die Lippen. Es gebe derzeit „leider auch andere Themen, die die Menschen bewegen“, meinte eine SPÖ-Kandidatin bei einer Wahlveranstaltung für das Hausruckviertel in Eferding ganz offen.

► Stimmungen statt inhaltlicher Akzente: Die ÖVP, die seit 1945 den Landeshauptmann stellt, spricht bewusst vor allem die Gefühle der Oberösterreicher an. Sie beschwört ein „Wir-Gefühl“ und „Zusammenhalt“ und inszeniert sich als „Oberösterreich-Partei“, um möglichst keinen „Denkzettel“ für die Bundespolitik zu erhalten. Die FPÖ mit Spitzenkandidat Landesrat Manfred Haimbuchner bestreitet zwar, vor allem wegen des Asylthemas im Aufwind zu sein. Bevor die FPÖ heute, Samstag, in Wels mit Bundesobmann Heinz-Christian Strache offiziell den Wahlkampf startet, ist das blaue Duo längst auf vielen Plakaten mit der auf den Flüchtlingsansturm bezogenen Botschaft „Sichere Grenze“ zu sehen. Darunter: „Sichere Heimat“. In Oberösterreich wird das „Hoamatland“ nicht nur in der Landeshymne besungen, an das Heimat-Gefühl wird auch von der ÖVP kräftig appelliert. Inhaltliche Botschaften wie Geld zur Ankurbelung der Wirtschaft wegen der hohen Arbeitslosenrate (ÖVP) oder der SPÖ-Dauerbrenner „Gerechtigkeit“ und der Kampf gegen die Wohnraummisere kommen erst danach.

► Ruhig – außer zwischen SPÖ und FPÖ: Es wurde bisher in einem auffällig ruhigen Stil wahlgekämpft. Etwas aus der Reihe tanzen die Neos, die derzeit nicht im Linzer Landtag sind, auf der „Baustelle Politik“, so ihr Slogan, aber bisweilen kräftiger gegen die anderen Parteien – etwa wegen der Förderungen – losziehen. Die härteste Auseinandersetzung liefert sich die SPÖ mit der FPÖ, um nicht, wie in Prognosen vorhergesagt, von den Freiheitlichen auf Platz drei verdrängt zu werden. Beim knapp halbstündigen Wahlkampfauftritt in Eferding nahm sich SPÖ-Chef Entholzer die meiste Zeit, um mit der FPÖ und Wohnbaulandesrat Haimbuchner abzurechnen. Die Roten prangern besonders das Streichen der Wohnbeihilfe für Allleinerzieherinnen an. „Keine Lösungen, sie blenden nur, sagt's das de Leit“, bleute Entholzer seinen Funktionären ein. Da kam dann sogar der Ausspruch: „Die können auch blaue Hydranten hinstellen, weil sie sechs Jahre nichts tun.“

► Grüne auf der Öko-Genuss-Welle: Die Grünen haben Wohlfühlgefühl im Land und den Bauch der Wähler als Ziel. Nicht zufällig erfolgte der landesweite Wahlauftakt vor einer Woche bei einem großen Bio-Gemüse-Betrieb in Eferding. Dazu wollen die Grünen breite Ressentiments gegen das Freihandelsabkommen TTIP und den „Gen-Scheiß“ in Stimmen für sie ummünzen. Spitzenkandidat Rudi Anschober hat aber ein Problem: Trotz zwölfjähriger schwarz-grüner Koalition, die die Grünen als Erfolg vermarkten („oben bleiben“), will sich Pühringer nicht auf eine Fortsetzung festlegen. Bleibt nur die Warnung der Grünen, dass die Oberösterreicher am 28. September mit einem „blauen Auge“ aufwachen könnten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Innenpolitik

Linzer SPÖ und extreme Kreise? Bericht fertig

Möglicher Kontakt zu den Grauen Wölfen wurde geprüft.
Pühringer: Die FPÖ greife auf Kundgebungen "in den Schmutzkübel".
Politik

Oberösterreich: Pühringer wirft Haimbuchner "Hetze" vor

Oberösterreichs Landeshauptmann Pühringer kritisierte, dass Teilnehmer von FPÖ-Wahlveranstaltungen T-Shirts mit nationalsozialistischen Anspielungen trugen.
Kommentare

Von Linz bis Wien: Der unaufhaltsame Aufstieg der FPÖ

Und was dann? Ausgrenzen oder einbinden? Ob der Enns könnte aus Koketterie Ernst werden.
Innenpolitik

Oberösterreich: FPÖ beklagt "schmutzigen Umfragewahlkampf"

Der oberösterreichische Landesparteichef Manfred Haimbuchner rechnet nicht mit einer schwarz-blauen Koalition nach der Landtagswahl. Er will aber Nummer zwei werden und damit die SPÖ überholen.
Innenpolitik

„Zusammenhalt“: Pühringer auf Faymanns Spuren

Oberösterreichs ÖVP will am 27.September einen „Denkzettel“ für die Bundespolitik vermeiden. SPÖ-Spitzenkandidat Entholzer buchstabiert im Wahlkampf das ABC in seiner roten Variante: Arbeit, Bleibe, Cash.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.