Der Fünfzehnte ist Wiens Multikulti-Bezirk, aber auch der ärmste und der jüngste der Stadt. Seinen Ruf, aufstrebend zu sein, hat er vor allem einer Straße zu verdanken.
Von allen Wiener Gemeindebezirken hat der 15. Bezirk am meisten den Ruf, sich in den vergangenen Jahren verändert zu haben. „Der wird noch was, der ist am Kommen“, erzählte man sich bereits vor drei Jahren über einen Espresso gebeugt. Zumindest erklärte man sich so den (faktisch nicht belegbaren, empirisch umso stärker empfundenen) Zuzug von urbanen Familien, die ob der hohen Mieten ihr Stammgebiet im siebten und sechsten Bezirk gen Westen verließen. Zwischen Stadthalle, Schmelz und Auer-Welsbach-Park konnte man sich Dachgeschoß und Küchenblock leisten, und das Wohnen nahe der Äußeren Mariahilfer Straße klang irgendwie besser als das Wohnen an gar keiner Mariahilfer Straße.
So manche Stadtzeitung füllte euphorisch Seiten darüber, wie die neuen Bewohner den 15. Bezirk für sich entdeckten. Geschichte um Geschichte (etwa die Grätzelinitiative rund um das Nibelungenviertel) wurde erzählt. Mit ihnen kam auch die Hoffnung auf eine Aufwertung des Bezirks: Weniger Wettcafés, mehr coole Geschäfte, schönere Häuser, weniger Verkehr.
Drei Jahre danach ist diese Entwicklung im Kleinen sicher passiert, im Großen ist davon aber wenig zu bemerken. Wer heutzutage die Äußere Mariahilfer Straße entlangwandert, findet noch immer von jedem Wettcafé mindestens einen Ableger, Diskonter wie Penny bilden gut sichtbar das Empfangskomitee, wenn man die Mariahilfer Straße über den Gürtel verlässt. Wo in der Inneren Mariahilfer Straße Autos mit einer Begegnungszone geächtet werden, dürfen sie hier in beide Richtungen fahren.
Statistisch gesehen ist der 15. Bezirk noch immer der ärmste von allen. Hier hat ein Angestellter 1200 Euro brutto im Monat zur Verfügung, während es bei den Bewohnern des ersten Bezirks 2130 Euro sind (Stand Ende 2013). Die Lebenserwartung ist im Vergleich zu anderen Bezirken geringer, der Ausländeranteil ist mit 40 Prozent der höchste der Stadt, gleichzeitig ist es auch der jüngste Bezirk von allen. Multikulti ist hier nicht nur Programm, sondern steht auch auf den Speisekarten der vom Balkan geprägten und türkischen Restaurants. Zwischen all dem, gibt es im Fünfzehnten genau eine Straße, die dem Bezirk sein besseres Image verpasst. Die Reindorfgasse. Quasi eine Seitenstraße der Mariahilfer Straße. Hier reiht sich Kreativbüro an Kreativgeschäft. Hier gibt es das trendige Label Amateur Fashion, das sich das Geschäft mit dem schicken Radshop Fix dich und dem Café Setz dich teilt. Hier gibt es den Taschenproduzenten Urban Tool, der sogar Asien erobert.
Eine Verlängerung
Der Sparkassaplatz gehört mittlerweile als Verlängerung der Straße dazu. Mit dem Cafè Prosa und der Improvisationsbar Irrlicht. Das Gasthaus Quell hat mit „Eduard“ eine Dependance für das junge, urbane Publikum aufgemacht. Auch der Schwendermarkt (westlich neben der Reindorfgasse) scheint nach mehreren Versuchen seine Chance zu nützen. Die Hälfte der Stände wurde neu übernommen. In der Palme 13 gibt es nun Linsengerichte und im Stand 16 Espresso, Feinkost und Bücher – stilecht in Kistenregalen präsentiert.
Alles in allem eine Enklave, die über den ganzen Bezirk strahlt – und im starken Gegensatz zu Einkaufsstraßen wie der März- oder Hütteldorfer Straße steht, die zunehmend verramschen. Auch der angeblich so große Zuzug aus den Bezirken fünf und sechs kann nicht belegt werden. 2014 und 2013 zogen laut Statistik vor allem Menschen aus den Bezirken 16., 10., 12. und dem angrenzenden Penzing (14.) nach Rudolfsheim-Fünfhaus.
Dass trotzdem mehr urbanes Publikum mit Kindern im Fünfzehnten lebt, macht Bezirksvorsteher Gerhard Zatlokal (SPÖ) an der gestiegenen Zahl von Beschwerden aus. „Der Wunsch nach Verkehrsberuhigung und Spielplätzen ist mehr geworden“, sagt er. Die lange Goldschlaggasse oberhalb des Westbahnhofs soll nun übrigens zur Fahrradstraße werden. So wie das ganze Grätzel zwischen Felberstraße und Märzsstraße verkehrsberuhigt werden soll. Dass sich an dieser Stelle noch einiges tun wird, kündigt auch die hohe Anzahl an eingerüsteten Häusern (Goldschlaggasse, Meiselmarkt, Johnstraße) an. Da die Sanierungen im 15.Bezirk zum Teil mit Förderungen (und daran gebundenen Mietdeckelungen) durchgeführt würden, fände grundsätzlich aber nicht so eine große Verdrängung statt, sagt Zatlokal. Die Tatsache, dass Immobilienmakler auf einmal einen Quadratmeterpreis von 4500 Euro (kein Dachgeschoß) für eine Neubauwohnung im Fünfzehnten verlangen, zeigt trotzdem, wie sehr Realität und Wirklichkeit hier auseinanderklaffen können. Der durchschnittliche Quadratmeterpreis liegt laut Remax bei 2382 m2.
Vielleicht ist es aber auch nur ein Zeichen, dass der Bezirk nun tatsächlich seinem aufstrebenden Ruf gerecht wird. Die besten Voraussetzungen mit seiner Nähe zur Innenstadt hat er ja.

Serie: Wiens Bezirke
Bis zur Wien-Wahl am 11. Oktober porträtiert die ''Presse'' nach und nach alle 23 Wiener Bezirke. Die bisherigen Porträts finden sie unter diepresse.com/bezirke
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2015)