Cannes: Tarantinos Märchen über die Nazi-Zeit

Inglourious Basterds
Inglourious Basterds(c) AP (Francois Duhamel)
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"Meine Figuren ändern den Ausgang des Zweiten Weltkrieges", sagt Regisseur Quentin Tarantino über seinen Film "Inglourious Basterds". Er präsentiert einen wilden Genre-Mix als seinen Beitrag zum Wettbewerb.

Mit seinem Film "Inglourious Basterds" und einer überaus unterhaltsam geführten Pressekonferenz hatte der US-Filmemacher Quentin Tarantino am Mittwoch einen starken Auftritt bei den Filmfestspielen in Cannes. Sein über zweieinhalbstündiger, mit einem internationalen Cast auf Englisch, Deutsch und Französisch gedrehter Film spielt im Zweiten Weltkrieg und schockiert mit seiner trashigen Erzählweise eines sonst üblicherweise im Film völlig ernsthaft behandelten Themas: Nationalsozialismus, Widerstand und Holocaust.

Ob man seinen Film eine "jüdische Rache-Fantasie mit Komödien-Einschlägen" nennen könne, wurde Tarantino nach der ersten Pressevorführung gefragt. "Ich würde ihn vielleicht nicht exakt so bezeichnen und jedenfalls würde ich ihn nicht unter genau dieser Genre-Bezeichnung in die Videostores bringen wollen", erwiderte der Regisseur, "aber er funktioniert durchaus so". Er liebe das Spiel mit Genres und Sub-Genres, aber vor allem liebe er einen Aspekt seines Films: "Meine Figuren ändern den Ausgang des Zweiten Weltkrieges. Alles wäre möglich gewesen, hätte es tatsächlich jene Menschen gegeben, die ich erfunden habe."

"Once upon a time ..."

In "Inglourious Basterds", den Tarantino als Märchen beginnt ("Once upon a time in Nazi-occupied France..."), werden gleich zwei Attentatspläne gegen die Spitzen des Dritten Reichs geschmiedet - beide sind letztendlich erfolgreich: Bei der Premiere eines Propaganda-Machwerks, das einen deutschen Scharfschützen (Daniel Brühl) verherrlicht, werden in einem Pariser Kino Hitler, Goebbels, Göring, Bormann umgebracht, das Kino sowohl in Brand gesteckt als auch in die Luft gejagt. "Ich liebe die Idee, dass das Kino die Macht besitzt, das Dritte Reich zu besiegen", so Tarantino.

Film und Kino spielen tatsächlich die Hauptrolle in dem Streifen, der Brad Pitt als "Aldo, der Apache" mit einer amerikanischen Sondereinheit durch grausame Mordtaten Angst und Schrecken in den deutschen Linien verbreiten und Melanie Laurent als eine junge jüdische Frau, die einem Massaker an ihrer Familie knapp entkommen ist, auf Rache sinnen lässt. Eine von Diane Kruger gespielte deutsche Filmschauspielerin arbeitet ebenso mit dem britischen Geheimdienst zusammen wie ein Filmkritiker, es wird über G.W. Papst und Leni Riefenstahl gefachsimpelt und ein einfacher deutscher Soldat (gespielt von Daniel Brühl) findet sich plötzlich als Held eines Propagandafilms.

Pitt hat Film noch nicht gesehen

Es ist nicht das Drehbuch, sondern die Erzählweise, die an "Inglourious Basterds" irritiert. Brad Pitt versicherte, die Darsteller hätten den Streifen, den Darsteller Eli Roth einen "koscheren Porno" nannte, noch nicht gesehen. Für Pitt war nicht nur die Arbeit mit Tarantino, sondern auch die Erfahrung, mit einem so internationalen Cast auf unterschiedlichen Sprachen zu drehen, außergewöhnlich. Und er streute seinen deutschen Kollegen Rosen: Neben Christoph Waltz, der von Tarantino als "Sprachgenie" gelobt wurde und als charmantes, vielsprachiges Nazi-Schwein Hans Landa fulminante Auftritte hat, und Daniel Brühl wurden auch Til Schweiger und August Diehl von Pitt besonders gelobt: "Wir haben ein paar Sachen von ihnen lernen können..." Auf die Frage, ob er denn nun deutsch könne, gab Pitt schmunzelnd gleich eine etwas einsilbige Kostprobe: "Ja!"

(APA)

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