Assistenzeinsatz an der Grenze: Wie das Heer helfen kann

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Die Innenministerin schließt einen Assistenzeinsatz nicht mehr aus. Dieser müsste aber völlig anders ablaufen als in den 1990er-Jahren.

Wien. Mit mehr als 500 Soldaten hilft das Bundesheer dem Innenministerium bei der Bewältigung der Asylkrise. Der Aufbau von Wohncontainern, Transport und Verpflegung von Flüchtlingen gehören zu den wichtigsten Aufgaben des Bundesheers. Für viele ist das nicht genug: Vor allem die FPÖ fordert vehement einen Assistenzeinsatz an der Grenze. Ihn wollen inzwischen weder Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) noch Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) völlig ausschließen – obwohl beide einer derartigen Forderung mit einiger Skepsis gegenüberstehen.

Dabei war der historische Assistenzeinsatz an der Grenze durchaus erfolgreich. Von 1990 bis 2011 sicherten Soldaten die Grenze im Burgenland und in Niederösterreich. 356.000 Mann waren im Lauf der Jahre im Einsatz, der Großteil davon Grundwehrdiener. Bis zu 2000 Soldaten wurden gleichzeitig aufgeboten. Mehr als 90.000 illegale Grenzgänger wurden in diesem Zeitraum aufgegriffen, dazu wurde eine beträchtliche Zahl an Grenzübertritten verhindert.

Allerdings: Der derzeitige Flüchtlingsstrom ließe sich mit denselben Mitteln wie in den 1990er-Jahren nicht eindämmen. Denn damals gab es noch kein Schengen-Abkommen, die Grenzbalken waren noch geschlossen. Wer illegal nach Österreich wollte, musste über die grüne Grenze und wurde dort vom Bundesheer erwartet. Nach Öffnung der Schengen-Grenze im Jahr 2007 lief der Grenzeinsatz zwar noch einige Jahre weiter, hatte aber eher dekorativen Charakter. Die Soldaten blieben an der Grenze, weil die Landespolitik das so wollte – zu tun hatten sie nicht mehr viel.

Grenzkontrollen bleiben verboten

Um heute illegale Zuwanderer auszuforschen, muss auf den offenen Verkehrswegen angesetzt werden. Denn die Flüchtlinge kommen zumeist über die Autobahnen oder mit dem Zug. Der einfachste Weg ist mit dem Schengen-Abkommen verschlossen: Eine Wiedereinführung der Grenzkontrollen ist da nur temporär bei bestimmten Ereignissen erlaubt – die Fußball-Europameisterschaft war ein derartiger Fall. Wohl aber kann Österreich das machen, was das Innenministerium seit Montag ja auch versucht: ab der Grenze den Verkehr zu kontrollieren und schwerpunktmäßig Lkw aufhalten und durchsuchen. Das ist allerdings sehr personalintensiv – es ist fraglich, ob die Exekutive die notwendigen Kapazitäten hat, um dies über einen längeren Zeitraum durchzuhalten. Als Unterstützung dabei wäre ein Assistenzeinsatz durchaus denkbar.

Gleiche Rechte wie die Polizei

Die Soldaten hätten dann alle Rechte, die auch Polizeibeamte haben: Sie könnten Fahrzeuge durchsuchen, Ausweise kontrollieren und auch ertappte Schlepper festnehmen. Voraussetzung dafür ist lediglich, dass das Innenministerium dafür die Hilfe des Bundesheers anfordert und begründet, warum ein nationaler Notstand eingetreten ist, der mit den Kräften der Polizei allein nicht bewältigbar ist. Genau an diesem Punkt zögert Innenministerin Mikl-Leitner aber noch: Das sei die ureigenste Aufgabe der Exekutive.

Wäre eine derartige lückenlose Kontrolle im Umfeld der Grenzübergänge erfolgreich, könnte das übrigens wieder zur Notwendigkeit eines Grenzeinsatzes wie in den 1990er-Jahren führen. Denn dann würden die Schlepper vermutlich wieder über die grüne Grenze ausweichen. Und diese ist mit den Kapazitäten der Exekutive erst recht nicht lückenlos überwachbar.

Dezimiertes Bundesheer

Fraglich ist aber, ob das Bundesheer überhaupt noch in der Lage ist, einen Assistenzeinsatz im selben Umfang durchzuführen wie in den 1990er-Jahren. Der frühere Sektionschef Christian Segur-Cabanac, einst verantwortlich für die Einsatzplanung des Bundesheers, hat im ORF-Radio entsprechende Zweifel geäußert: Die zahlreichen Sparpakete haben sowohl den Personalstand als auch die Transportkapazitäten stark dezimiert. Zudem wurde der Wehrdienst im Jahr 2006 von acht auf sechs Monate reduziert. Diese sechs Monate seien schon notwendig, die Grundwehrdiener auszubilden – sie dann noch an die Grenze zu schicken sei schwer machbar. Im Bundesheer verweist man darauf, dass ein Einsatz vermutlich schon machbar sei – aber nur, wenn andere Aufgaben wie die Ausbildung der Grundwehrdiener vernachlässigt werden.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2015)

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