Lose oder straff: Wie viel Führung braucht die Organisation?

Jan Krims
Jan Krims(c) Katharina Roßboth
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Viele Führungskräfte sind der Überzeugung, ihren Leuten genug Freiheit zu lassen. Die sagen jedoch etwas ganz anderes.

Die Mannschaften sind unzufrieden. Er beobachte das in vielen Organisationen, sagt Jan Krims, Senior Manager bei Deloitte Consulting. Das liege nicht an den Führungskräften selbst, sondern an ihrer Art zu führen: Top-down passt nicht mehr, bottom-up kann sich keiner vorstellen. „Wir kennen es ja nur von oben nach unten“, meint Krims, „so haben wir es schon in der Schule gelernt.“

Es gäbe Vorzeigebetriebe, die es anders machen. Kleine Start-ups, in denen jeder mit jedem spricht, die ab einer gewissen Größe aber auch wieder Hierarchien einziehen. Ausnahmeerscheinungen wie den Goretex-Hersteller W. L. Gore, der eine Gitterstruktur lebt und seine Führungskräfte als „Sponsoren“ bezeichnet.

Natürlich, der Zeitgeist ist auch an allen anderen Unternehmen nicht vorbei gegangen. Der Manager von heute gibt sich partizipativ, pflegt das amikale „Du“ und lebt seinen Status weniger exzessiv aus als früher. Er gibt sich „gleicher“ – aber ist er es auch? Vermutlich nicht, sagt Krims, sonst wären die Leute nicht unzufrieden.
Zwei Diskussionen gelte es zusammenzuführen. Erstens, wie viel top-down oder bottom-up braucht eine Organisation? Und zweitens, lassen sich Aufgaben klar definieren oder sind sie kreativ zu lösen? Je nach Antworten passt die Organisation auf einen von acht Archetypen. Schon zu erkennen, welcher es ist, macht den Weg frei für die Konfliktlösung:


► Großgrundbesitzer und Pächter. Ersterer gibt ein straffes Regelkorsett vor, letzterer hat sich zu fügen. Beispiel: der Apple AppStore und seine Programmierer.
► Architekten und Handwerker. Der Architekt zeichnet einen verbindlichen Bauplan, lässt seinen Handwerkern aber einen gewissen fachlichen Spielraum in der Ausführung. Die kümmern sich auch um die Schnittstellen.
► Produzenten und Kreativteams. Der Rahmen ist vorgegeben, bei der Befüllung erfreuen sich die Teams maximaler kreativer Freiheit. So wie beim Cirque du Soleil, aber auch bei einigen Wirtschaftstreuhändern.
► Senatoren und Bürger. W. L. Gore macht es vor – eine interne „Verfassung“, innerhalb der die Bürger alle Rechte haben. Typischerweise tragen sie dann mehrere Hüte, übernehmen Haupt- und Nebenrollen und gern auch freiwillige Zusatzaufgaben.
► Koordinatoren und Freiwillige. Wie organisiert man Freiwillige, über die man keine Befehlsgewalt hat? Linux lebt dieses System ohne Regeln und beweist, dass es nicht nur bei NPOs funktioniert.
► Kapitäne und Sportteams. Der Kapitän kommt aus der Mannschaft und spielt immer noch im Feld mit. Als Gleicher unter Gleichen.
► Dirigent und Orchester. Immer, wenn es um Punktgenauigkeit geht: Der Dirigent hat das große Ganze im Blick, jeder Musiker nur seinen Einsatz. Beispiel ist die Pharmaforschung, wenn etwa neuen Medikamenten Fehlerraten gleich Null abverlangt werden.
► Generäle und Soldaten. Jeder Handgriff ist vorgegeben. Der Unterschied zum Großgrundbesitzer: Ein General ist selbst nur ein Befehlsempfänger. (al)

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