ÖVP: Spätstart in den Wahlkampf

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Wien-Wahl. In der VP zeigt man sich erleichtert, dass Ursula Stenzel nicht mit einer eigenen Liste antritt. Auf den hinteren Plätzen planen Senioren und Bauern einen Vorzugsstimmenwahlkampf.

Wien. Es war lange Zeit ruhig um die Wiener ÖVP. Auffallend ruhig. Abgesehen vom Knalleffekt, dass City-Bezirkschefin Ursula Stenzel am 11.Oktober für die FPÖ kandidiert, wurden kaum öffentliche Aktivitäten verzeichnet, während sich die anderen Parteien bereits voll im Wahlkampf befinden.

Diese Zeit der Ruhe ist seit Donnerstag vorbei – Parteichef Manfred Juraczka hat die erste ÖVP-Plakatwelle präsentiert und den Intensivwahlkampf für eröffnet erklärt. Man habe sich bei der Materialschlacht bis jetzt bewusst zurückgehalten, sagt Juraczka. Denn im Sommer würden die Wiener ihre Ruhe haben wollen, und die Partei müsse mit ihren Ressourcen schonend umgehen, wenn sie das auch von der Stadtverwaltung verlange. Ab sofort würde man aber mit 1100 Dreieckständern (in zwei Wellen), mit insgesamt 1200 Plakaten und 280 sogenannten Citylights in den Wahlkampf einsteigen.

Freude über Stenzels FPÖ-Liste

Mit der ersten Plakatwelle inszenieren die Parteistrategen Juraczka als Kämpfer für Verkehr („Stopp den Autofahrer-Schikanen“), Bildung („Das Gymnasium – mit uns ist es sicher“) und die Wirtschaft („Mein wichtigster Job: Jobs schaffen“). Das Wahlziel wird dabei gleich mitplakatiert: „Kurswechsel jetzt“, Juraczkas Ziel ist (neben Stimmengewinnen) der Bruch der rot-grünen Mehrheit.

Naturgemäß musste sich der ÖVP-Chef Fragen zu Ursula Stenzel stellen. Dass er die österreichweit bekannte ÖVP-Bezirkschefin zur FPÖ getrieben habe – weil er sie nicht als Spitzenkandidatin im ersten Bezirk aufgestellt habe, sei Stenzels Dolchstoßlegende, so Juraczka: „Es wurden ihr mehrere Angebote gemacht.“ Darunter eine Doppelspitze mit dem jetzigen Spitzenkandidaten, Markus Figl. Der Plan: Wer mehr Vorzugsstimmen bekommt, wird Bezirksvorsteher. Diesem Wettbewerb hätte sich Stenzel aber nicht stellen wollen, bedauerte Juraczka.

In Parteikreisen gibt es Erleichterung, dass Stenzel nicht mit einer eigenen Liste antritt. Laut einer internen Umfrage hätte Stenzel damit rund 15 Prozent erreicht, womit die ÖVP im Bezirk halbiert worden wäre – während die Grünen als lachende Dritte auf Platz eins gelandet wären. Nun rechnen ÖVP-Strategen damit, dass viele bürgerlich-liberale Wähler sich scheuen werden, am 11.Oktober die FPÖ anzukreuzen. Trotz Ursula Stenzel. Wörtlich heißt es: „Viele konservative Wähler hat Stenzels Schritt schockiert.“

Die Aufgabe, die früheren Stenzel-Wähler wieder an die ÖVP zu binden, hat Marcus Figl. Der Großneffe von Bundeskanzler Leopold Figl hatte Stenzel (mithilfe von Außenminister Sebastian Kurz) abgesägt. Nun präsentierte er sein Team für die Nach-Stenzel-Ära: „Ich stelle den Führungsanspruch. Ich will Bezirksvorsteher werden.“ Auch für dieses Team gilt: Der Konkurrenzkampf, den Juraczka auf Landesebene vorgeschrieben hat (die Vorzugsstimmen entscheiden de facto darüber, wer in den Gemeinderat kommt), wird auch auf Bezirksebene umgesetzt: 80 Stimmen braucht ein ÖVP-Kandidat im ersten Bezirk, um parteiintern vorgereiht zu werden.

Gewerkschaft läuft für Korosec

Apropos Vorzugsstimmen: Wie der „Presse“ bestätigt wird, werden die ÖVP-Gemeinderäte Ingrid Korosec und Norbert Walter, die bei der Listenerstellung auf eher chancenlose Plätze verräumt wurden, das nicht hinnehmen. Nicht nur der (in der ÖVP) mächtige Seniorenbund wird für Korosec einen groß angelegten Vorzugsstimmenwahlkampf starten, sondern auch der Bauernbund für Norbert Walter. Korosecs Wahlkampf wird auch von der GÖD (Gewerkschaft öffentlicher Dienst) unter kräftiger Mithilfe von Fritz Neugebauer, Chef der Beamtengewerkschaft, getragen. Womit die Seniorensprecherin einen mächtigen Verbündeten besitzt. Und: Stenzel wechselte zur FPÖ, die altgediente grüne City-Bezirksrätin Patricia Davis, Ex-Vize-Klubchefin, zur ÖVP. Der Grund: Wie Stenzel wurde ihr eine Kandidatur verweigert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2015)

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