Afrika liegt auch in Europa

Plattform. Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen untersuchen gemeinsam die Lebensumstände von Afrikanern in der Diaspora.

„Die afrikanische Community ist eine Stärke von Wien. Sie sollte nicht als Belastung gesehen werden“, sagt Adams Bodomo, Leiter des Instituts für Afrikawissenschaften der Uni Wien. Sein aktuelles Forschungsthema sind Afrikaner, die außerhalb ihrer Herkunftsländer leben. Ihre Zahl wächst in der globalisierten Welt kontinuierlich. Zuletzt hat Bodomo die afrikanische Diaspora in China untersucht. Heute trifft er gern Afrikaner, die in Wien leben, bevorzugt in der Gegend um die Burggasse und im 15. Bezirk.

Anders als in Brüssel und Paris, wo es mit Matonge und Château Rouge etablierte afrikanische Viertel gibt, die sich auch politisch organisieren, sind Afrikaner in Wien eher locker vernetzt. „Sie sind entlang ihrer Nationalitäten, ihres religiösen Hintergrundes und ihrer wirtschaftlichen Einbindung organisiert“, sagt Bodomo.

Große Fragebogenaktion gestartet

Afrikaner beginnen in der Wiener Diaspora, verschiedene afrikanische Gemeinschaften, Sprachen und Kulturen kennenzulernen. Die Gastländer könnten und sollten das unterstützen, so Bodomo. Unterschiede im Regelwerk und in der Infrastruktur der Gastländer wirkten sich stark auf die in der Diaspora lebenden Afrikaner aus. So haben Afrikaner in Österreich eine sehr viel klarere Zukunftsperspektive. Sie wissen meist, ob sie bleiben oder möglicherweise sogar die Staatsbürgerschaft bekommen können. In China sei ihr Schicksal dagegen völlig ungewiss, weil kein klares Regelwerk für die Einwanderung existiere, so Bodomo. Auch das Arbeitsrecht unterscheide sich fundamental. Während er in Hongkong die Erfahrung machte, jederzeit zum Friseur gehen zu können, sei in Wien das Geschäft am frühen Abend geschlossen. „Das Arbeitsverhalten und die Arbeitsethik richten sich nach dem Gastland“, sagt er.

Um weitere verallgemeinerbare Erkenntnisse zu gewinnen, hat Bodomo eine groß angelegte Fragebogenaktion gestartet. Außerdem wird im Rahmen der von der Uni Wien geförderten interdisziplinären Forschung eine Zusammenarbeit mit verschiedenen anderen Instituten begonnen, die „Global African Diaspora Studies Plattform“, kurz GADS . Dazu gehören die Zeitgeschichte mit Oliver Rathkolb, die Germanistik mit Katharina Hausmann und die Ostasienwissenschaften mit Christian Goebel. So soll etwa in der Sammlung des Weltmuseums der Herkunft afrikanischer Ausstellungsstücke nachgegangen werden. Dadurch können Synergieeffekte entstehen, um neue Aspekte der afrikanischen Diaspora zu untersuchen. (msb)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2015)

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