Wahlkampf mit Straßenbahnen

Der 33er soll eine neue Streckenführung bekommen, so wie auch die Linie O. Und mit dem 36er ist eine völlig neue Linie geplant.
Der 33er soll eine neue Streckenführung bekommen, so wie auch die Linie O. Und mit dem 36er ist eine völlig neue Linie geplant.(c) Wiener Linien / Johannes Zinner (Johannes Zinner)
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Vizebürgermeisterin Brauner kündigt 100 Millionen Euro für Straßenbahnausbau an und kann sich Seitenhiebe auf den Koalitionspartner nicht verkneifen. Der schießt süffisant zurück.

Wien. „Wir müssen agieren, die Stadt wächst.“ Mit diesen Worten präsentierte Vizebürgermeisterin Renate Brauner am Montag, mitten im Wahlkampf, ein neues Straßenbahnpaket. Konkret geht es um den Ausbau des Netzes in den roten Bezirken Leopoldstadt und Brigittenau – womit Wien Moskau überholen und das fünftgrößte Straßenbahnnetz der Welt besitzen würde, erklärte Brauner stolz. Bei dieser Ankündigung konnte sich die Vizebürgermeisterin Kritik an dem grünen Koalitionspartner nicht verkneifen: „Wir (die SPÖ, Anm.) lieben die U-Bahn. Aber wir sagen nicht: U-Bahn oder Straßenbahn – wir brauchen alles.“

Rot-Grüne Diskussionen

Damit spielte Brauner auf die heftigen rot-grünen Auseinandersetzungen der Vergangenheit an. Die Grünen wollten den Straßenbahnausbau forcieren und dafür Gelder, die für den U-Bahn-Bau reserviert sind (Stichwort: U5) umleiten. Die SPÖ dagegen wehrte sich, dass ihr Prestigeprojekt U5 zu Gunsten von Maria Vassilakous Straßenbahn-Plänen beerdigt wird. Zwar zog Brauner den Planungsstart für die neue Linie U5 (gegen den Willen des Koalitionspartners) durch, gleichzeitig wurde für Vassilakou ein 400-Millionen-Euro-Programm für den Straßenbahnausbau mit unsicherem Realisierungzeitraum beschlossen. Davon sichert sich Brauner nun aber ein Viertel für die Leopoldstadt und die Brigittenau.

Dort wurden die beiden Bezirkschefs Karlheinz Hora und Hannes Derfler (nicht nur bei der Präsentation) demonstrativ eingebunden, was Brauner zum nächsten Seitenhieb in Richtung Grüne nützte. „Man soll sich nicht zentral supergescheite Dinge einfallen lassen, die nicht funktionieren. Und dafür über die Bezirke drüberfahren, die die örtlichen Gegebenheiten besser kennen“, sagte sie in Richtung von Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou, die eine Entmachtung der Bezirkschefs gefordert hatte, damit diese grüne Projekte wie z.B. Radwege nicht mehr blockieren können.

Nachsatz: Man solle auch nicht Autofahrer triezen, damit diese auf die öffentlichen Verkehrsmittel umsteigen. Vielmehr müsste man Autofahrer mit der Qualität der öffentlichen Verkehrsmittel überzeugen, richtete sie der grünen Verkehrsstadträtin aus.

(C) DiePresse

Postwendend kam die Retourkutsche. „Ich begrüße den Meinungsschwenk sehr. Denn bisher war die Haltung der Wiener SPÖ zum Straßenbahnausbau sehr zögerlich“, erklärte der grüne Verkehrssprecher Rüdiger Maresch süffisant. Und teilte nicht sehr subtil in Richtung der roten Bezirksvorsteher aus: „Es ist sehr schön, dass auch die Bezirksvorsteher des 2. und des 20. Bezirks endlich verstanden haben, dass es ohne neue Straßenbahnen nicht geht.“

Zu dem Projekt selbst, dessen Realisierung, wie Brauner erklärte, „auch vom Wahlergebnis“ abhängt: Die Stadtentwicklungsgebiete am ehemaligen Nordbahnhof bzw. am Nordwestbahnhofgelände sollen öffentlich besser angebunden werden – immerhin sind dort tausende Wohnungen entstanden bzw. im Entstehen.

Baubeginn soll 2018 erfolgen

Die Linie O soll von der Endstation Praterstern über Am Tabor innerhalb von drei Jahren in das Zentrum des Stadtentwicklungsgebietes Nordbahnhof verlängert werden. Dort sollen bis 2025 insgesamt 9000 Wohnungen und 20.000 Arbeitsplätze entstehen. Der 33er soll dann vom Wallensteinplatz durch den Nordwestbahnhof umgeleitet werden und bis zur Leystraße führen. Somit wird genügend Raum frei, um eine neue Straßenbahnlinie einzuführen – die Linie 36. Sie soll die Brigittenau mit der Innenstadt verbinden, konkret über die Trasse des bisherigen 33ers bis zum Wallensteinplatz. Von dort aus geht es über den Franz-Josefs-Bahnhof bis zur Endstation Börse.

Damit erhalten laut Brauner beide Stadtentwicklungsgebiete per Straßenbahn Anschluss an die U4, beim Arne-Carlson-Park an die geplante U5. Zwischen 2020 und 2025 sollen die neuen Linien in Betrieb gehen; abhängig von der Entwicklung des Nordwestbahnhof-Areals, „und“, so Brauner, „des Wahlergebnisses“. (stu)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2015)

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