Zur Hyperaktivität der Regierung vor der Wahl.
Normalerweise wird danach aufgeräumt. Nach einem Fest, wenn die (manchmal unschönen) Überreste der Feier beseitigt werden müssen. Oder nach einer Wahl, wenn das Ergebnis nicht besonders gut war. Dann wird oft mit dem Parteivorsitzenden aufgeräumt.
Die SPÖ räumt nun vorher auf – vor der Wahl. Die Copa Cagrana, seit vielen Jahren Sinnbild für eine gescheiterte Stadtentwicklung, wird großteils saniert. Damit sie für den 11.Oktober hübscher aussieht. Und auch in anderen Bereichen entwickelt die Stadtregierung am Ende ihrer Amtszeit eine gefühlte Hyperaktivität für Projekte, die sie während der vergangenen fünf Jahre hätte erledigen sollen.
In den Schulen ist dieses Phänomen bekannt. Kurz vor der Zeugnisverteilung entwickeln selbst Schüler, die das Jahr gemächlich verbracht haben, große Aktivität – aus Angst vor Konsequenzen. Und Politiker entwickeln ihre größten Aktivitäten direkt vor der Wahl. Aus demselben Grund.
Angst ist kein schöner Motivator. Aber sie motiviert Politiker, aus Angst vor dem Tag der Zeugnisverteilung, das zu tun, wofür sie bezahlt werden. Und das ist gut so.
Zynisch formuliert: Wenn Politiker immer nur kurz vor den Wahlen so aktiv werden, würde es Wien viel bringen, wenn Wahlen mehrfach pro Jahr stattfinden. So wie Mathematikschularbeiten.
martin.stuhlpfarrer@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2015)