Bezirks-Aus: Ärger in Wien Umgebung

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Die niederösterreichische Landesregierung will den Bezirk Wien Umgebung per 2017 auflösen und damit Millionen einsparen. Nicht nur in der Bezirkshauptstadt Klosterneuburg ist man irritiert.

St. Pölten/Klosterneuburg. Mit breitem Widerstand ist in den nächsten Wochen und Monaten durchaus zu rechnen, auch wenn sich vorerst nur Klosterneuburgs Bürgermeister Stefan Schmuckenschlager aus der Deckung gewagt hat: Er sei „not amused“ und wäre gern früher informiert worden, sagte der ÖVP-Politiker am Donnerstag. „Diese Entscheidung liegt in der alleinigen Verantwortung des Landes.“

Landeshauptmann Erwin Pröll hatte zuvor, bei der Klausur der Landesregierung in Mauerbach, verkündet, dass der geografisch zersplitterte Bezirk Wien Umgebung aufgelöst werde. Die einzelnen Gemeinden werden, inklusive der Hauptstadt Klosterneuburg, benachbarten Bezirken angegliedert (siehe Grafik). Und zwar mit Jahresbeginn 2017. Niederösterreich wird dann nur noch 20 Bezirke haben.

Das Vorhaben läuft unter dem Titel „Verwaltungsreform“ und soll dem verschuldeten Niederösterreich Einsparungen von zwei Millionen Euro im Jahr bringen. Die heutige Bezirksstruktur sei vor rund 60 Jahren festgelegt worden und nicht mehr zeitgemäß, sagte Pröll.

Die WU-Gemeinden werden auf vier Bezirke aufgeteilt: Ebergassing, Fischamend, Gramatneusiedl, Himberg, Klein-Neusiedl, Moosbrunn, Rauchenwarth, Schwadorf, Schwechat und Zwölfaxing kommen zum Bezirk Bruck an der Leitha; Lanzendorf, Leopoldsdorf und Maria-Lanzendorf zu Mödling. Gerasdorf geht an den Bezirk Gänserndorf. Pressbaum, Purkersdorf, Tullnerbach und Wolfsgraben werden St. Pölten zugeschlagen, Klosterneuburg kommt wie Gablitz und Mauerbach zu Tulln.

Kennzeichen WU bleibt vorerst

Klosterneuburg sei damit die einzige Stadt Niederösterreichs, „die als größter Teil eines Bezirkes nicht Bezirkshauptstadt ist“, ärgerte sich Bürgermeister Schmuckenschlager. Neben der Übernahme der Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaft in den Landesdienst verlangt er zumindest ein eigenes Kfz-Kennzeichen, um der „hohen Identifikation“ der Bürger mit ihrer Stadt gerecht zu werden. Sein Vorschlag wäre: KG. Diesen Wunsch wird ihm der Landeshauptmann wohl nicht erfüllen. Denn das WU auf den Kennzeichen bleibt über 2017 hinaus erhalten und wird erst nach und nach – bei Neuanmeldungen und Ummeldungen – ersetzt.

Klosterneuburg war schon einmal, ab 1890, mit Tulln in einem Bezirk organisiert gewesen, im Jahr 1938 wurde die Stadt dann Wien eingemeindet. Der Bezirk Wien Umgebung wurde 1954 gegründet. Mit 118.691 Einwohnern und einer Fläche von 485 Quadratkilometern hat er die zweithöchste Bevölkerungsdichte und die zweitmeisten Einwohner des Landes.

Zwischenzeitlich war diskutiert worden, Klosterneuburg zu einer Statutarstadt zu erheben. Mit St. Pölten, Krems, Wiener Neustadt und Waidhofen/Ybbs gibt es in Niederösterreich derzeit vier davon. Doch dieser Plan wurde wieder verworfen, weil er keine Einsparungen gebracht hätte, wie eine von der Landesregierung in Auftrag gegebene Mobilitätsstudie gezeigt hat.

Wie stimmen die Mandatare?

Der Beschluss, der eine Zweidrittelmehrheit erfordert, soll in der nächsten Landtagssitzung am 24. September gefasst werden. 13 Gesetze sind davon berührt, unter anderem die Nationalratswahlordnung. Offen bleibt das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten aus Wien Umgebung. ÖVP-Mandatar Lukas Mandl, unter Michael Spindelegger Generalsekretär des Arbeitnehmerbundes ÖAAB, wird das Vorhaben unterstützen, wie er im „Presse“-Gespräch ankündigt: „Die Verwaltung zu reformieren heißt, Verantwortung zu übernehmen – im eigenen Bereich.“

Niederösterreich wandelt damit auf den Spuren der Steiermark. Die ehemaligen Reformpartner Franz Voves und Hermann Schützenhöfer haben neben etlichen Gemeinden auch Bezirke fusioniert. Aus 17 wurden 13. Voves ist mittlerweile in Pension, Schützenhofer führt die Reform als Landeshauptmann fort.

Sein Amtskollege Erwin Pröll wurde gestern auch von den Grünen kritisiert. Helga Krismer, Klubobfrau im Landtag, zeigte sich „irritiert“, dass die Landesregierung „völlig überraschend und ohne Bürgerdialog“ die Auflösung eines Bezirks bekannt gegeben habe.

AUF EINEN BLICK

Aufteilung der WU-Gemeinden. Ebergassing, Fischamend, Gramatneusiedl, Himberg, Klein-Neusiedl, Moosbrunn, Rauchenwarth, Schwadorf, Schwechat und Zwölfaxing kommen zum Bezirk Bruck/Leitha; Lanzendorf, Leopoldsdorf und Maria-Lanzendorf zu Mödling. Gerasdorf geht an den Bezirk Gänserndorf. Pressbaum, Purkersdorf, Tullnerbach und Wolfsgraben werden St. Pölten zugeschlagen, Klosterneuburg kommt wie Gablitz und Mauerbach zu Tulln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2015)

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