Darf Österreich die Goldene Palme für Michael Hanekes "Das weiße Band" für sich beanspruchen? Nein, meint Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky. Denn die österreichische Politik habe versagt.
Eine Goldene Palme für Österreich - oder doch nicht? Bundespräsident Heinz Fischer und das Österreichische Filminstitut (ÖFI) sehen in dem Preis für Michael Hanekes "Das weiße Band" einen "neuerlichen Höhepunkt der beispiellosen Erfolgswelle" im heimischen Filmschaffen. Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky sieht das anders: "Man muss ein bisschen aufpassen, das als einen Triumph des österreichischen Films zu sehen", sagte Ruzowitzky. "Es ist eher ein Beweis dafür, wo die österreichische Politik versagt."
"Mit deutschem Geld produziert"
Haneke könne nicht in Österreich produzieren, weil hierzulande die Mittel dafür fehlten, erläuterte der Regisseur. Und der mit dem Darstellerpreis ausgezeichnete Christoph Waltz könne nicht in Österreich spielen, weil immer weniger Kino- und Fernsehfilme produziert würden. Daher sei "Das weiße Band" eindeutig "ein deutscher Film, weil er auch mit deutschem Geld produziert wurde", stellte Ruzowitzky fest.
Ähnlich sieht das die deutsche Boulevardzeitung "Bild": Sie bejubelte am Montag die "Goldene Palme für Deutschland" und feierte den "Riesenerfolg für den deutschen Film 'Das weiße Band'".
Dass in den vergangenen zehn Jahren so viele Preise an österreichische Filmschaffende gingen, erklärt sich Ruzowitzky mit einer "offenbar sehr fruchtbaren Generation". Die Anzaghl der Auszeichnungen ist beeindruckend: Große Jury-Preise bekamen Haneke und Ulrich Seidl in Cannes und Venedig. Haneke und Hubert Sauper wurden zudem mit Europäischen Filmpreisen ausgezeichnet. In Venedig und Berlin konnten Nina Proll und Birgit Minichmayr Darstellerpreise einheimsen. Nicht zuletzt ging der Auslands-Oscar 2008 an Ruzowitzky, 2009 war Götz Spielmann mit "Revanche" nominiert.
Österreich "lässt Saat verdörren"
Für Götz Spielmann kommt der Erfolg nicht von ungefähr. "In einem so hochwertigen Filmland mit so vielen tollen Leuten zu arbeiten, erleichtert das Schaffen von hoher Qualität", sagt der Regisseur. Und für Ruzowitzky ist "da eine Saat aufgegangen - umso unverständlicher, dass man die jetzt wieder verdörren lässt".
"Schaut's, es geht ja eh - dieses Argument gilt einfach nicht", meinte Ruzowitzky, der über die Gratulationen seitens der Politik "sehr lachen" musste. "Die Politik hat sehr viel Zeit und Gelegenheiten verstreichen lassen." Und auch Spielmann wünschte sich Gratulationen lieber in Form von Zukunftssicherung und "der Gewissheit, dass wir weiterarbeiten können".
Ruzowitzky nicht optimistisch
Der ORF (der "Das weiße Band" mitfinanzierte) und die Politik "riskieren gerade alles", so Spielmann, "das ist Verschwendung von kultureller Substanz". Und Ruzowitzky ergänzt: "Ich verliere langsam meinen an und für sich großen Optimismus: Oscar, Oscar-Nominierung, Goldene Palme - was braucht man denn noch alles?" Die Hoffnung bleibe, dass mittelfristig zumindest das Kinopublikum auf den Geschmack komme.
Auszeichnungen:
1999 (Venedig) - Marcello-Mastroianni-Preis für Nina Proll für ihre Mitwirkung in "Nordrand" von Barbara Albert
2001 (Cannes) - "Die Klavierspielerin" (R: Michael Haneke), Großer Preis der Jury, Darstellerpreise an Isabelle Huppert und Benoit Magimel
2001 (Venedig) - "Hundstage" (R: Ulrich Seidl), Großer Preis der Jury
2004 (Europ. Filmpreis) - "Darwin's Nightmare" (R: Hubert Sauper), Bester Dokumentarfilm
2005 (Cannes) - "Caché" (R: Michael Haneke), Beste Regie
2005 (Europ. Filmpreis) - "Caché" (R: Michael Haneke), Beste Regie und Bester Film
2006 (Berlin) - "Grbavica" (R: Jasmila Zbanic), Goldener Bär
2008 (Oscar) - "Die Fälscher" (R: Stefan Ruzowitzky), Auslands-Oscar
2009 (Berlin) - Silberner Bär für Birgit Minichmayr für ihre Hauptrolle in "Alle Anderen" von Maren Ade
2009 (Cannes) - Darsteller-Preis für Christoph Waltz für seine Rolle in "Inglourious Basterds" von Quentin Tarantino
2009 (Cannes) - "Das weiße Band" (R: Michael Haneke), Goldene Palme
(APA/Red.)