Ein Erfolg für Österreichs Filmschaffende?

Hintergründe der heimischen Siegesserie: Politiker gratulieren, Oscar-Regisseur Ruzowitzky mahnt.

Es droht schon wieder unterzugehen angesichts des berechtigten Jubels über die „österreichischen Palmen“ für Michael Haneke und Christoph Waltz. Aber den ersten Preis in Cannes für Österreicher gab es schon am Freitag: Das „Europe Cinemas Label“ für La pivellina, das kleine Spielfilmdebüt der Dokumentaristen Tizza Covi und Rainer Frimmel, in der „Quinzaine des Réalisateurs“.

Covi und Frimmel bekamen für ihren vorigen Film Babooska in Berlin einen Preis: Auch das einer der eher unbeachteten Erfolge, die Österreichs Kino am laufenden Band feiert. Gerade bei Dokumentationen und Avantgardefilmen hat das heimische Kino sein Weltklasseniveau immer wieder bewiesen. Die breite mediale Aufmerksamkeit gilt aber vor allem den Erfolgen im Rampenlicht – denn auch da hat das heimische Kino in der letzten Dekade bravourös reüssiert.

Zwischen den Großen Jurypreisen, die 2001 sowohl Haneke in Cannes als auch Ulrich Seidl in Venedig einstreichen konnten, und dem Doppelsieg an der Côte d'Azur letzten Sonntag liegt eine erstaunliche Siegesserie, darunter der Europäische Filmpreis als beste Dokumentation 2004 für Hubert Saupers (davor ebenfalls mit dem „Europe Cinemas Label“ prämierten) Darwin's Nightmare, natürlich der Auslandsoscar 2008 für Stefan Ruzowitzkys KZ-Drama Die Fälscherund zuletzt im Februar 2009 der Silberne Bär von Berlin für Birgit Minichmayr als Darstellerin im deutschen Film Alle Anderen.

„Das weiße Band“ – ein deutscher Film?

In solchen Fällen überschlagen sich die Medien mit Jubelmeldungen und die Politiker mit Gratulationen. So sprach Bundespräsident Heinz Fischer am Montag von der „Krönung des eindrucksvollen Lebenswerks“ Hanekes, während Kulturministerin Claudia Schmied (S) einen „beeindruckenden Erfolg für die österreichischen Filmschaffenden“ konstantierte.

Zwar schloss sich Regiekollege Ruzowitzky den Glückwünschen uneingeschränkt an, warf aber auch kritisch ein, dass man den Cannes-Sieg nicht einfach als Triumph des heimischen Films sehen solle: Eher sei es „ein Beweis dafür, wo die österreichische Politik versagt“. Denn Haneke produziere nicht in Österreich, weil hierzulande dafür die Mittel fehlten. Nach einer Reihe französischer Mehrheitsproduktionen (und Funny Games U.S.) seinun Das weiße Band „ein deutscher Film, weil er auch mit deutschem Geld produziert wurde“, so Ruzowitzky. Und Götz Spielmann, heuer mit Revanche für den Oscar als bester fremdsprachiger Film nominiert, legte nach: In einem so hochwertigen Filmland sei eine Saat aufgegangen, die man jetzt wieder verdörren ließe: Er wünsche sich lieber Gratulationen in Form von Zukunftssicherung und der „Gewissheit, dass wir weiterarbeiten können“.

Zwar sah Schmied den Cannes-Erfolg „natürlich auch als Zeichen an alle Verantwortungsträger in der Filmförderung“, eine Lösung der schwierigen Situation für heimische Filmschaffende ist aber nicht abzusehen: Die überwältigenden Erfolge von Österreichs Film korrespondieren keineswegs mit der Unterdotierung der Mittel. hub

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2009)

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