Am Donnerstag könnte die US-Notenbank Fed die Leitzinsen erhöhen. Ökonomen erwarten nur einen geringen Zinsschritt, wenn er nicht gar auf Dezember verschoben wird.
Wien. Erstmals seit fast einem Jahrzehnt könnte die US-amerikanische Notenbank Fed diese Woche ihre Zinsen erhöhen. Seit Ende 2008 hält sie den amerikanischen Leitzins resolut tief zwischen Null und 0,25 Prozent. Fed-Chefin Janet Yellen bereitet die globalen Aktienmärkte schon seit Monaten auf einen behutsamen Kurswechsel vor. Eindeutige Hinweise zu ihrem weiteren Vorgehen gab es bislang jedoch keine.
So wird die für Donnerstag anberaumte Pressekonferenz mit höchster Spannung erwartet. Dort wird sich offenbaren, welchen Kurs die Notenbank einschlägt: Wagt sie trotz der Sorgen an den Finanzmärkten angesichts des chinesischen Börsenkrachs den Zinsschritt, oder wartet sie noch bis Ende des Jahres zu. Die Weltbank appellierte jüngst an die US-Währungshüter, mit der Leitzinserhöhung noch zuzuwarten, bis sich die Weltwirtschaft stabilisiert habe.
Analysten gespalten
Die Meinung über Höhe und Folgen der amerikanischen Zinsoffensive ist unter Europas Marktanalysten gespalten. So sagte Bruno Cavalier, Chefvolkswirt des Pariser Investmenthauses Oddo Securities, vergangene Woche, er erwarte eine Anhebung des Zinssatzes um einen Viertel Prozentpunkt. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer hingegen sieht die Erhöhung erst im Dezember anstehen. Alles andere würde „erhebliche Schwankungen an den globalen Finanzmärkten auslösen und insbesondere Sorgen um die Schwellenländer verstärken“, so Krämer.
Diese hatten ihren Unmut über den Fed-Kurs bei dem jüngsten G-20 Gipfel der Notenbankchefs und Finanzminister in Ankara deutlich zum Ausdruck gebracht. Vor allem Brasilien, das zurzeit tief in einer Rezession steckt, sowie China und der Türkei drohen starke Kapitalabflüsse. Investoren würden bei einer Zinserhöhung ihr Geld dort abziehen und wieder verstärkt in den USA parken.
Philipp Schöttler, Finanzstratege der Schweizer Großbank UBS, vertrat am Montag in Wien den Standpunkt vieler Kollegen: Ein heißer Herbst sei nicht zu erwarten. Er prognostiziert den ersten Zinsschritt der Fed für Dezember. Bei UBS geht man von einem langsamen amerikanischen Zinszyklus aus. Der dortige Arbeits- und Immobilienmarkt erhole sich zwar. Auch liege die USA mit einer fünfprozentigen Arbeitslosenquote auf Vollbeschäftigungsniveau. Jedoch werde man dennoch von einer zu starken Zinserhöhung Abstand nehmen. Einerseits sei, so Schöttler, der Lohndruck als ausschlaggebender Faktor für die Währungshüter noch nicht vorhanden. Zudem gehe es bei dem erwarteten behutsamen Zinsanhebungsversuch Yellens mehr um die Geste: Man wolle laut dem UBS-Strategen beweisen, dass man wieder handlungsfähig ist.
UBS: Eher keine Überraschung
Schöttler prognostiziert eine Zinsanhebung auf ein Prozent bis Ende 2016. Langfristig gesehen gehe es in Richtung zwei bis drei Prozent. „Das muss für die Aktienmärkte kein negativer Faktor sein“, betont er. Die globale Wirtschaft sei zurzeit stabil, und vor allem die amerikanischen und europäischen Aktienmärkte profitierten von dem jeweiligen heimischen Wirtschaftswachstum. Der nervöse Schub bei Investoren nach Platzen der chinesischen Aktienblase werde sich wieder legen.
Einzig eine aggressivere Zinskorrektur durch die Fed als erwartet könnte die Märkte ins Wanken bringen. Die Wahrscheinlichkeit dieses Risikoszenarios ist nach Meinung der UBS-Strategen jedoch gering: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Fed die Finanzwelt mit einer härteren Gangart überrascht, sehen sie bei lediglich zehn bis zwanzig Prozent. (loan/Reuters)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2015)