Kein Österreicher auf der Buchpreis-Shortlist

Longlist f�r Deutschen Buchpreis
Longlist f�r Deutschen Buchpreis(c) APA/dpa-Zentralbild/Jens Kalaene (Jens Kalaene)
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Die sechs Finalisten des Deutschen Buchpreises stehen fest – ihre Geschichten erzählen von Flüchtlingen, Tudor-Zeit und RAF-Terror, von eisigen Familien und teuflischer Wirtschaft. Und natürlich Liebe.

Arno Geiger ist der bisher einzige Österreicher, der den Deutschen Buchpreis gewonnen hat, und das wird sich so bald nicht ändern. Denn die Namen der vier österreichischen Schriftsteller, die sich heuer auf der Longlist fanden – Valerie Fritsch, Gertraud Klemm, Clemens J. Setz und Vladimir Vertlib –, scheinen in der Shortlist nicht mehr auf.

Welche Bücher es letztendlich auf die Liste geschafft haben, hat vielleicht auch etwas mit der politischen Aktualität zu tun – in gleich zwei der Bücher spielt das Flüchtlingsthema eine Rolle. So lässt Jenny Erpenbecks hochgelobter Tatsachenroman „Gehen, ging, gegangen“ einen pensionierten, verwitweten und kinderlosen Altphilologen in Berlin auf afrikanische Flüchtlinge treffen; eine Demonstration macht ihn neugierig, er beginnt zu recherchieren, mit Flüchtlingen zu reden, versucht zu verstehen, das fremde und das eigene Leben, die Gesetze, und was es überhaupt heißt, das „Richtige“ zu tun.

Im Roman „Über den Winter“ des Schweizer Autors Rolf Lappert färbt der massenhafte Tod von Flüchtlingen die Grundstimmung mit. Der Protagonist ist ein recht erfolgreicher Künstler namens Lennard Salm, der zu Beginn der Geschichte für ein neues Projekt Treibgut von gesunkenen Schlepperbooten in Italien sucht; dabei entdeckt er einen weiblichen Säugling, ein totes Flüchtlingsbaby. Dieses Schicksal verknüpft sich in Salms Inneren mit dem seiner verstorbenen Schwester, zu dessen Begräbnis er nach Hamburg reist: „Über den Winter“ ist vor allem eine eisige Familiengeschichte.

Zwölf Geliebte, wie die Apostel

In Hamburg lebt auch Monique Schwitter, die heuer beim Bachmann-Wettlesen in Klagenfurt Furore gemacht hat, aber letztlich doch ohne Preis blieb. Alles dreht sich um die Schönheiten und vor allem Schrecklichkeiten der Liebe in ihrem im Grazer Droschl-Verlag erschienenen Buch „Eins im Andern“: Eine Frau fragt sich, was aus ihrer ersten Liebe wurde (der Mann hat sich aus dem Fenster gestürzt, findet sie prompt heraus) und will schließlich ein Buch über ihre vergangenen Lieben schreiben – zwölf an der Zahl sind es, wie die Apostel, die mit Jesus beim Liebesmahl sitzen.

Thematisch am ungewöhnlichsten, weil tief in die Historie zurückgehend, scheint auf den ersten Blick Inger Maria Mahlkes Buch „Wie Ihr wollt“, das nicht zufällig an Shakespeare denken lässt – die bucklige und klein geratene Hauptfigur Mary Grey lebt in der Tudor-Zeit. Aber auch diese Geschichte einer Frau, die sich, obwohl ungeliebt und verspottet, zu behaupten versucht, ist modern erzählt, die Charaktere scheinen der Gegenwart entsprungen. Mit Lapperts „Über den Winter“ verbindet das Buch die Schilderung familiärer Kälteschocks.

Der Weg von den Utopien des 20. Jahrhunderts zum radikalen Kapitalismus steht im Zentrum von Ulrich Peltzers Roman „Das bessere Leben“, in dem sich die Wege eines in Schwierigkeiten geratenen Sales-Manager und eines skrupellosen Risiko-Beraters kreuzen. Frank Witzels „Die Erfindung der Roten Armee“ führt ebenfalls ins 20. Jahrhundert zurück – er versucht das Porträt einer Generation zwischen RAF-Terror und Katholizismus. Wer von den sechs Finalisten den Preis gewinnt, wird man am 12. Oktober erfahren, am Vorabend der Frankfurter Buchmesse. (sim)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2015)

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