Die Verbündeten Russland und Iran tüfteln an einer Friedensinitiative, die die Europäer auf ihre Seite ziehen soll. Den USA passt die Einbeziehung des Diktators indes nicht ins Konzept.
Zwei Wochen vor einer auf Initiative Moskaus hin angesetzten Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats im Rahmen der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York gewinnen die diplomatischen Aktivitäten rund um eine Lösung der Syrien-Krise an Fahrt. Erstmals seit zehn Jahren hat sich Russlands Präsident, Wladimir Putin, zum jährlichen Karussell der Weltführer angekündigt und ein Treffen mit US-Präsident Barack Obama avisiert, um aus einer Position der Stärke einen Masterplan für ein Ende des Syrien-Kriegs vorzulegen – und zugleich die Isolation Russlands seit der Annexion der Krim im Vorjahr zu durchbrechen.
Putin und sein Protegé im Nahen Osten, Syriens Diktator, Bashar al-Assad, sehen sich durch die Flüchtlingskrise und den internationalen Druck für eine politische Lösung in der Region gestärkt. EU-Außenminister von Frank-Walter Steinmeier bis zu Sebastian Kurz plädieren neuerdings für eine wenigstens vorläufige politische Rolle Assads. Nachdem Russland seine Militärpräsenz in Syrien schlagartig erhöht hatte, um die Militärbasis Tartus am Mittelmeer und den Einfluss auch in einer Post-Assad-Ära zu sichern, gab Assad russischen Medien gleich serienweise Interviews, in denen er sich als Akteur in Erinnerung rief. Die Stabilisierung Syriens – ergo auch seiner Macht – bezeichnete er als Priorität.
Im Namen des Anti-IS-Kampfs
Geschickt verquickt er seine ureigenen politischen Interessen mit jenen der Europäer. Der Kampf gegen die extremistischen Milizen des sogenannten Islamischen Staats (IS), dem sich die EU-Diplomaten als Credo verschrieben haben, soll, so lautet der einfache Nenner in den EU-Metropolen, im Endeffekt auch ein Versiegen der Flüchtlingsströme nach Europa nach sich ziehen. Eine De-facto-Teilung Syriens in mehrere Einflusszonen, wie es den Kreml-Strategen vorschwebt, könnte zu einem Modell à la Irak geraten. Den Russen wiederum gilt der Sturz Gaddafis in Libyen anno 2011 als Horrorszenario – als Sicherheitsvakuum, in dem sich diverse Islamistenmilizen breitmachten.
Putin und Assad treiben einen Keil in die westliche Allianz. Denn Washington hält Moskaus Militärengagement für den Verbündeten in Damaskus für kontraproduktiv. Eine Einbindung des syrischen Diktators in eine Verhandlungslösung als Fügung in die Realpolitik widerstrebt der US-Regierung nicht nur – sie lehnt sie auch rundweg ab, wie Außenminister John Kerry seinen russischen Widerpart, Sergej Lawrow, in mehreren Telefonaten wissen ließ. In London will er in den kommenden Tagen für eine Unterstützung der US-Position werben und die Stimmung bei den Alliierten in Großbritannien und den Golfstaaten ausloten.
Zugleich rief die russische Aufrüstung des Assad-Regimes auch Israel auf den Plan. Premier Benjamin Netanjahu hat sich für Montag im Kreml angesagt. Dass russisches Hightechgerät wie Luftabwehrraketen in die Hände der mit Assad verbündeten schiitischen Hisbollah-Miliz fallen könnte, hat den Regierungschef alarmiert.
Mit Ausnahme Israels, der Saudis und der US-Republikaner hat das Atomabkommen mit dem Iran zwar allenthalben Hoffnungen geweckt, die Allianz Moskau/Damaskus/Teheran sorgt indessen für Irritationen. Schon im August hat Mohammed Javad Zarif, der iranische Außenminister, bei einem Besuch in Damaskus seine Fühler für eine diplomatische Lösung unter Einbeziehung Assads ausgestreckt.
„Superman“ Suleimani
Neben der russischen Waffenhilfe gestand Assad nun die Unterstützung durch die Schirmherren aus Teheran ein. Es ist ein offenes Geheimnis, dass nicht nur die Hisbollah, sondern auch die al-Quds-Brigaden an der Seite der Assad-Truppen in Syrien kämpfen – so wie sie unter ihrem Mastermind, Quassem Suleimani, den Feldzug gegen den IS und seine sunnitischen Waffenbrüder im Irak anführen.
In der iranischen Heimat hat sich Suleimani, der General der Revolutionsgarden, längst einen Superman-Status erworben. In den sozialen Netzwerken firmiert er als Supermani, sodass das Mullah-Regime ihn nach interner Kritik zeitweise aus der ersten Reihe zurückzog. Hinter den Kulissen soll er jedoch zuletzt in Moskau wieder aktiv geworden sein, was auf eine enge Abstimmung zwischen Russland und dem Iran hindeutet. Die Konsultationen befänden sich in der Endphase, ließ der iranische Vizeaußenminister durchblicken.
Assads Schutzmächte, Russland und Iran, sind mit ihrem Geheimplan drauf und dran, die internationale Diplomatie zu überrumpeln. Die USA haben sie bereits auf dem falschen Fuß erwischt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2015)