Im Vorfeld der heiß ersehnten Zinsentscheidung der Federal Reserve am heutigen Donnerstag bekennt sich die EZB zu einer fortgesetzt lockeren Geldpolitik. Auch, weil die Inflationsraten wieder sinken.
Wien/Frankfurt. Das Deflationsgespenst geht wieder um. Die Inflationsrate in der Eurozone ist im August von 0,2 auf 0,1 Prozent zurückgegangen – und das, obwohl die Europäische Zentralbank rund 60Milliarden Euro monatlich in die Märkte pumpt, um Kreditvergabe und Inflation anzuregen. Grund für die weiterhin schwache Teuerung sind die fallenden Energiepreise, so die europäische Statistikbehörde Eurostat.
Dass die Preise in den heimischen Supermärkten jetzt zu sinken anfangen, ist allerdings zu bezweifeln. Mit einer Teuerung von 0,9 Prozent bleibt Österreich Spitzenreiter auf dem europäischen Festland. Lediglich Malta kann die Alpenrepublik übertrumpfen (plus 1,4 Prozent).
Europa ist aber nicht allein. In den USA sind die Verbraucherpreise im Monatsvergleich zuletzt sogar gefallen, und zwar zum ersten Mal seit sieben Monaten. Auch hier sind die günstigen Energiepreise wohl der Hauptgrund: Fallende Ölpreise machen derzeit das Tanken billiger, und der starke Dollar viele Importe günstiger. Im Jahresvergleich ist die Teuerung mit 1,8 Prozent in den USA allerdings deutlich robuster als in der Eurozone.
Mehr Geld von der EZB
Diese Werte stellen die Zentralbanken vor enorme Herausforderungen – ist die Erhaltung einer Inflationsrate von rund zwei Prozent doch eigentlich deren Hauptaufgabe. Die Geldspritzen der EZB dürften aber nicht ausreichen, um das Kreditwachstum in der Eurozone zu befeuern. Jedenfalls nicht genügend, um die deflationären Effekte günstiger Energiepreise zu neutralisieren.
Deswegen nimmt die EZB jetzt schon die Ausweitung des bis September 2016 begrenzten Anleihenkaufprogramms Quantitative Easing ins Visier. OeNB-Chef Ewald Nowotny hat diese Debatte in einem Interview mit der „Presse“ ausgelöst, das in der Mittwochsausgabe erschienen war.
Auch EZB-Vize Vitor Constancio ist überzeugt davon, dass die Zentralbank ihre Gelddruckaktivitäten noch ausweiten kann. „Bislang sind wir bei den Käufen noch weit weg davon, was andere große Zentralbanken getätigt haben“, sagte der Stellvertreter von EZB-Chef Mario Draghi in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview der Nachrichtenagentur Reuters. Die bislang erworbenen Papiere entsprächen 5,3 Prozent der Wirtschaftsleistung der Währungsunion.
Im Rahmen des Programms haben die EZB und die nationalen Notenbanken bereits Papiere für mehr als 440 Milliarden Euro erworben. Damit ist das Gesamtvolumen des 1,14 Billionen Euro schweren Programms, zu dem neben Anleihen auch Pfandbriefe und Hypothekenpapiere gehören, bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Die US-Notenbank habe hingegen Geld in der Größenordnung von einem Viertel des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Vereinigten Staaten in die Hand genommen, um die Konjunktur anzukurbeln.
Zinssitzung der Fed
In Japan seien es sogar 64 Prozent des BIPs. Diese Signale der EZB kommen im Vorfeld einer mit Spannung erwarteten Zinssitzung der US-Notenbank Federal Reserve. Am Donnerstag könnte es zur ersten Zinsanhebung durch die Fed seit sieben Jahren kommen. Unter den Beobachtern herrscht bis zuletzt komplette Unklarheit zu der Frage, ob die Fed die Zinsen nun anhebt oder nicht. Donnerstagabend werden wir es wissen. (jil)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2015)