Polizei: Sikh-Dolmetscher fehlen

(c) Reuters (Herwig Prammer)
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Die Spurensuche nach dem Attentat in einem Wiener Sikh-Gebetshaus wird noch länger dauern, die Ermittler haben vor allem sprachliche Schwierigkeiten. Die Polizei geht von einem geplanten Anschlag aus.

WIEN. Eintritt verboten. Nach dem Anschlag vom Sonntag haben nach wie vor ausschließlich die Ermittler des Landeskriminalamts Zugang zum Sikh-Tempel in der Pelzgasse. Und das wird wohl noch einige Tage so bleiben, denn die Spurensicherung werde noch mindestens bis zum Wochenende dauern, heißt es bei der Polizei. Zwar wird für heute, Mittwoch, ein erster Zwischenbericht erwartet, doch bis alle Spuren gesichert und ausgewertet sind, dürfte es noch länger dauern. Eine erste Erkenntnis gibt es aber schon: Man geht nicht von einer spontanen Aktion, sondern von einem geplanten Attentat aus – weil die mutmaßlichen Täter mit einer Pistole und mit Messern bewaffnet in das Gebetshaus kamen.

Keine Erfahrung mit Sikhs

Besonders schwierig wird es für die Ermittler, weil das Umfeld der Sikhs bisher nie ein Thema war, es kaum Erfahrungen mit dieser Religionsgruppe gibt. „Ich habe bis zu dem Anschlag nicht einmal gewusst, dass es hier einen Tempel gibt“, sagt ein Polizist, der vor dem Eingang Wache schiebt.

Abgesehen von kulturellen und religiösen Eigenheiten, die sich erst langsam zu einem fertigen Puzzle zusammensetzen, sind die Ermittler auch mit praktischen Schwierigkeiten konfrontiert – vor allem auf der sprachlichen Ebene. So fehlt es an Dolmetschern für die Einvernahme der Attentäter und die Befragungen von Zeugen, die nur Urdu sprechen, noch dazu einen Dialekt.

Noch schwieriger wird es bei der Übersetzung von Schriftstücken, die in den Wohnungen der Attentäter beschlagnahmt wurden. „Wir haben aber schon Lösungen gemeinsam mit Interpol“, sagt Polizeisprecher Michael Takacs. Internationale Hilfe, die auch notwendig ist, denn „die Ermittlungsbereiche erweitern sich und übertreffen unsere Vorstellungen und Kapazitäten“, so Takacs.

Prediger außer Lebensgefahr

Dementsprechend sind drei der sechs Verdächtigen nach wie vor nicht identifiziert. Immerhin, fünf von ihnen sind mittlerweile ins Landesgericht Wien überstellt worden. Ein Verdächtiger, der nach einem Kopfschuss noch im Unfallkrankenhaus in Meidling behandelt wird, ist nach wie vor nicht vernehmungsfähig.

Dafür schwebt der Prediger Sant Niranjan Dass, der am Sonntag schwer verletzt wurde, nicht mehr in Lebensgefahr. Er ist in einem Wiener Spital untergebracht und wird dort von der Spezialeinheit Wega rund um die Uhr bewacht. Ein aktuelles Foto wurde am Dienstag von der Polizei veröffentlicht, da in Indien Gerüchte über den Tod des zweitens Guru im Umlauf sind. Von dort kommt indes eine Petition, in der Anhänger des Predigers die Hoffnung äußern, dass der Fall bald aufgeklärt und die Täter bestraft werden sollen. Im selben Schreiben wurde auch den österreichischen Behörden gedankt – für das rasche Handeln nach den Vorfällen.

In der Sikh-Community des Landes ist man nun beschäftigt, wieder Ruhe einkehren zu lassen. Die Tempel werden von der Polizei beschützt, mit weiteren Vorfällen rechnet man aber nicht. Im Tempel in der Langobardenstraße, dessen für Mitte Juni angesetzte feierliche Eröffnung wegen der Anschläge verschoben wurde, sind die Handwerker wieder am Arbeiten. Teppiche werden verlegt, eine Fußbodenheizung eingebaut. Wann die Eröffnung stattfindet, weiß man nicht. Bis dahin gilt wie in der Pelzgasse: Eintritt verboten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2009)

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