Arbeitslosigkeit: Für Flüchtlinge gibt es zu wenige Jobs

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In Deutschland und Österreich fordern Manager eine Öffnung des Arbeitsmarktes für Flüchtlinge. Doch nur wenige Unternehmen bieten Jobs.

Wien/Berlin. Langsam sinkt auch in Deutschland die Zuversicht, dass Asylwerber schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Nach Meinung des Wirtschaftsflügels der regierenden CDU gibt es gegenwärtig kaum Jobchancen für Flüchtlinge. Konkret erklärte der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU, Carsten Linnemann, es sei verständlich, wenn die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, in diesen Tagen Optimismus verbreite. „Dabei ist es aber wichtig, dass wir realistisch bleiben und Schwierigkeiten nicht schönreden“, so Linnemann. Denn die unbequeme Wahrheit laute, dass es schwierig werde, Flüchtlingen Jobs zu vermitteln.

In den vergangenen Wochen meldeten sich in Deutschland zahlreiche Chefs von Wirtschaftsunternehmen zu Wort. Diese erklärten, dass der Arbeitsmarkt möglichst schnell für Flüchtlinge geöffnet werden solle. Der Fernsehsender Deutsche Welle hat nun bei den 30 größten börsenotierten DAX-Konzernen nachgefragt. Und die Ergebnisse waren ernüchternd. Viele Firmen erklärten, dass ihre Mitarbeiter für Flüchtlinge spenden. Nur bei drei Unternehmen (Siemens, Daimler und Telekom) gab es konkrete Jobangebote. Siemens starte im Frühjahr ein Programm für zehn Praktikanten. Ab Oktober soll die Initiative ausgebaut werden.

Auch bei der Deutschen Telekom können Flüchtlinge ein bezahltes Praktikum machen. Doch vermutlich werden nur wenige Asylwerber die Voraussetzungen erfüllen. Denn gesucht werden vorwiegend Wirtschaftsstudenten. Diese sollen über gute Deutsch- und Englischkenntnisse verfügen.

Wie sieht die Situation in Österreich aus? Der deutsche Rewe-Konzern ist in Österreich Marktführer im Lebensmittel- und Drogeriefachhandel. Zur Gruppe gehören die Handelsketten Billa, Adeg, Merkur, Penny und Bipa. Diese erwirtschafteten im Vorjahr in Österreich einen Umsatz von acht Milliarden Euro. Das Unternehmen spendete der Caritas 500.000 Euro für die Unterbringung und Begleitung von Kindern und jugendlichen Flüchtlingen. Zudem sollen heuer 20 bis 30 Lehrstellen für Flüchtlinge geschaffen werden.

Beim Baukonzern Porr machen gegenwärtig vier Jugendliche aus Afghanistan eine Lehre. Heuer sollen zehn weitere Lehrstellen für Flüchtlinge angeboten werden.

Tropfen auf dem heißen Stein

Jedes Engagement für Flüchtlinge ist zu begrüßen. Doch die derzeitigen Aktivitäten sind nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, wenn man bedenkt, dass allein heuer 80.000 Flüchtlinge in Österreich erwartet werden. Davon dürfte laut Schätzungen der Regierung rund die Hälfte einen positiven Asylbescheid bekommen. Wirtschaftsvertreter erklären immer wieder, dass es in Österreich einen Facharbeitermangel gibt. Doch konkrete Zahlen liegen dazu nicht vor. Das Arbeitsmarktservice verzeichnete zuletzt 32.000 offene Stellen. Gleichzeitig suchten 384.585 Menschen einen Job. In Österreich bekommt das Arbeitsmarktservice zusätzlich 70 Millionen Euro für die Integration von anerkannten Asylwerbern. Ob das ausreichen wird, ist fraglich.

Das Wiener AMS startete jüngst mit einem „Kompetenzcheck zur beruflichen Integration von anerkannten Flüchtlingen“. Damit sollen die beruflichen Qualifikationen geklärt werden. Das Programm ist nur auf 1000 Teilnehmer ausgerichtet. Für mehr fehlt das Geld. Dabei betreute das AMS zuletzt in ganz Österreich 17.897 Personen mit Asylstatus und subsidiär Schutzberechtigte. 75 Prozent der Syrer und 93 Prozent der Afghanen haben laut AMS-Daten nur einen Pflichtschulabschluss.

In Deutschland sagt die Regierung ganz offen, dass die Integration von Flüchtlingen eine teure und langwierige Herausforderung sein wird. Die deutschen Arbeitsagenturen werden dafür 3000 zusätzliche Mitarbeiter einstellen. Für die Jobintegration und Hartz IV werden allein 2016 Mehrkosten von mindestens drei Milliarden Euro erwartet. Denn viele Flüchtlinge verfügen nicht über die notwendigen Sprachkenntnisse und beruflichen Qualifikationen.

Warum Deutschland bei der Integration der Asylwerber in die Offensive geht, hat einen einfachen Grund: Deutschland steht vor einem demografischen Wandel. Ohne Zuwanderung schrumpft die Zahl der arbeitsfähigen Bevölkerung bis 2030 um mehrere Millionen. Denn die Menschen werden immer älter, gleichzeitig verfügt Deutschland über eine der niedrigsten Geburtenraten in der EU. In Österreich dürfte die Überalterung erst viel später eintreten als in Deutschland.

Der Linzer Universitätsprofessor Friedrich Schneider erklärte am Donnerstag, dass er keinen nennenswerten Anstieg von Schwarzarbeit durch die Flüchtlinge erwarte, da die Sprachhürden und Barrieren in puncto Mentalität beträchtlich seien.

AUF EINEN BLICK

Die Integration von Flüchtlingen ist eine teure und langwierige Herausforderung. Die deutschen Arbeitsagenturen werden dafür 3000 zusätzliche Mitarbeiter einstellen. Für die Jobintegration und Hartz IV werden 2016 in Deutschland Mehrkosten von mindestens drei Milliarden Euro erwartet. In Österreich bekommt das AMS für die Integration von Flüchtlingen 70 Millionen Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2015)

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