Syrien: Russland erwägt, notfalls Bodentruppen zu senden

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Washington signalisiert unterdessen Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Moskau in Syrien. Und Regimetruppen sollen wieder Fassbomben abgeworfen haben.

Russland schließt eine Beteiligung am syrischen Bürgerkrieg mit Bodentruppen an der Seite von Präsident Bashar al-Assad nicht aus. Sollte die Bitte um Entsendung von Truppen aus Syrien kommen, werde dies erwogen, sagte der Sprecher der russischen Regierung, Dmitri Peskow, am Freitag in Moskau. "Gegenwärtig ist es aber schwer, hypothetisch zu sprechen", ergänzte er.

Die USA signalisierten die Bereitschaft, ihr militärisches Vorgehen in Syrien mit Russland abzustimmen. In Deutschland setzte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen auf eine Lösung des Bürgerkriegs bei der UNO-Vollversammlung Ende des Monats. Alle EU-Staaten haben angesichts des Flüchtlingsstroms aus Syrien ein besonderes Interesse an der Beendigung des Konflikts.

Peskow machte zunächst keine näheren Angaben. Russland unterstützt Assad bereits mit Waffenlieferungen. Die Regierungstruppen sind seit Ausbruch der Aufstände 2011 zunehmend in die Defensive geraten. Zum stärksten Gegner von Assad hat sich die Extremistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) entwickelt. Der syrische Außenminister Walid al-Muallem hatte am Vortag erklärt, sollten russische Truppen nötig sein, werde man sie anfordern. Gegenwärtig sei das aber nicht der Fall.

Lawrow: Assads Rücktritt "Utopie"

Ebenfalls am Vortag hatte der russische Außenminister Sergej Lawrow einen Rücktritt Assads als Utopie abgetan. Ein Abgang Assads, wie ihn manche im Westen fordern, werde keinen Erfolg im Kampf gegen Terroristen im Nahen Osten bringen, sagte Lawrow im Schwarzmeerkurort Sotschi am Donnerstag.

Auch die USA bekämpfen den IS in Syrien und im Irak mit Luftangriffen, schließen den Einsatz von Bodentruppen aber aus. Die Amerikaner lehnen eine Zusammenarbeit mit Assad ab. Nachhaltige Erfolge hat der US-Einsatz bisher kaum gebracht. Obwohl kurdische Milizen Geländegewinne im Norden des Landes erzielen konnten, bleibt der IS die dominierende Kraft neben den Truppen Assads. Angesichts dieser Entwicklung weichte zuletzt die einheitliche westliche Front gegen Assad auf. Spanien und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) etwa schlugen Verhandlungen mit dem syrischen Präsidenten vor.

Auch in den USA ist Bewegung in der Frage internationaler Zusammenarbeit bei der Lösung des Konflikts gekommen. Die US-Regierung sei offen für militärtaktische Gespräche mit Russland, sagte ein Sprecher des Präsidialamts. Solche Gespräche könnten nützlich sein, um Probleme und Zwischenfälle zu vermeiden. Zudem würden es die USA begrüßen, wenn Russland einen konstruktiven Beitrag zum Kampf gegen den IS leiste. Auch Deutschland vertritt diese Linie. "Wir würden uns wünschen, dass Russland sich in einem abgestimmten Format auch am Kampf gegen IS beteiligt", erklärte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes.

Aus Sicht von der Leyens könnte die UNO-Vollversammlung Ende des Monats Gelegenheit zur Abstimmung eines gemeinsamen Vorgehens bieten. Voraussetzung für die Beendigung der Krisen in Syrien und im Irak sei ein Minimalkonsens darüber, "wen unterstützen und wen bekämpfen", sagte die CDU-Politikerin in Berlin. Auf der Vollversammlung noch im September sei "große Hoffnung und Erwartung" gerichtet, zu diesen Minimalkonsens zu kommen. Bevor man "mit den notwendigen Mitteln in Syrien und im Irak operativ tätig wird", müsse dieser politische Konsens hergestellt werden.

Am Sonntag kommt US-Außenminister John Kerry zu Gesprächen mit dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nach Berlin. Im Mittelpunkt des Treffens im Gästehaus des Auswärtigen Amts in der Villa Borsig soll die Lage in Syrien stehen, wie das Ministerium am Freitag mitteilte. Weiteres Themen sind demnach die aktuelle Flüchtlingskrise und andere aktuelle Fragen der internationalen Politik. Steinmeier hat wiederholt vor einer weiteren militärischen Eskalation des Syrien-Konflikts gewarnt. Allerdings räumte das Auswärtige Amt auch ein, Gespräche mit der IS-Miliz machten keinen Sinn. Bereits am heutigen Freitag führt Kerry Gespräche in London.

Fassbomben auf Zivilisten

Im Kampf gegen Aufständische haben die syrischen Regierungstruppen nach Angaben von Aktivisten erneut Fassbomben auf Zivilisten abgeworfen. Bei dem Angriff auf eine von Rebellen gehaltene Stadt in der Nähe von Deraa (Daraa) seien am Donnerstagabend 21 Zivilisten getötet worden, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Unter ihnen seien zwei Kinder und vier Frauen gewesen.

Zunächst friedliche Proteste gegen Assads Polizei- und Geheimdienstregime in Damaskus ab März 2011 sind in Syrien in einen Bürgerkrieg umgeschlagen. Schätzungen zufolge wurden seither mehr als 240.000 Menschen getötet, mehr als vier Millionen Menschen wurden nach Angaben der Vereinten Nationen aus Syrien vertrieben. Zehntausende von ihnen versuchen derzeit, Europa zu erreichen.

(APA/Reuters/AFP)

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