Damit vier plus vier nicht 44 bleibt

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Spezialisierung. In den Bereichen Gesundheit und Soziales wird Expertenwissen immer wichtiger. Der Bildungsmarkt reagiert darauf mit neuen und neu ausgezeichneten Mastern.

So freudig Erstklässler in diesen Tagen den neuen Lebensabschnitt beginnen, so flau wird manchem Schüler höherer Jahrgänge beim Gedanken daran. Das Unbehagen ist nicht selten mit dem Fach Mathematik verbunden, und hier wiederum liegt bei einigen Prozent der Schüler die tiefere Ursache des Problems in einer – meist nicht diagnostizierten – Dyskalkulie. Diese Teilleistungsstörung hat, analog der Legasthenie, nichts mit mangelnder Intelligenz zu tun. Sie erschwert aber das Verständnis von Zahlen, Mengen, Größen und Rechenarten. Obwohl Lehrer durch jeweilige Erlässe der Bundesländer aufgefordert sind, auf die Benachteiligung einzelner Schüler durch Dyskalkulie und Legasthenie einzugehen, fehlt ihnen in der Praxis oft die Befähigung dazu.

Akademischer Dyskalkulie-Therapeut.
Gestiegen dürfte allerdings zumindest das Problembewusstsein sein. Der in diesem Semester startende zweijährige Universitätslehrgang „Akademischer Dyskalkulie Therapeut“ der Privatuniversität UMIT ist komplett ausgebucht. „Wir haben Anfragen aus ganz Österreich, aber auch aus Deutschland, der Schweiz und Italien“, sagt Lehrgangsleiterin Silvia Pixner. Das Programm werde großteils von Lehrern besucht, aber auch von Erziehungswissenschaftlern, Psychologen, Ergotherapeuten und Kindergartenpädagogen.

Eine ähnliche Ausbildung ist an der Universität Graz geplant, die allerdings sowohl Legasthenie als auch Dyskalkulie umfassen soll. Aus Pixners Sicht ist eine Ausbildung in beiden Bereichen sinnvoll, da rund 40 Prozent der Betroffenen beide Störungen aufweisen. An der UMIT wechseln sich alle zwei Jahre Lehrgänge für Dyskalkulie und Legasthenie ab. So starten auch diesen Herbst sechs Personen, die gerade den Lehrgang für Legasthenie abgeschlossen haben.

Den Run auf die UMIT-Ausbildung führt Pixner, die auch Mitherausgeberin einer Fachzeitschrift zum Thema Lernen und Lernstörungen ist, auf das Bemühen um besondere Qualität zurück. „Die Teilnehmer werden nicht nur theoretisch ausgebildet, sondern mit mindestens 50 Supervisionseinheiten in kleinen Gruppen an ihre ersten Praxiserfahrungen herangeführt.“ Die Absolventen berichten laut Pixner, dass sie sich nach der Ausbildung wirklich zutrauen, mit den Kindern zu arbeiten, und wissen, was zu tun ist.

Kinder- und Familienzentrierte Soziale Arbeit. Mittelbar wird Kindern und Jugendlichen auch ein neues berufsbegleitendes Studium zugutekommen, das an der Fachhochschule Campus Wien in einem Jahr anlaufen soll (vorbehaltlich der Akkreditierung durch AQ Austria). Der Masterstudiengang Kinder- und Familienzentrierte Soziale Arbeit sei ein Produkt der Zusammenarbeit zwischen der Fachhochschule und der Wiener Kinder- und Jugendhilfe, sagt Elisabeth Raab-Steiner, Leiterin des Kompetenzzentrums für Soziale Arbeit der FH Campus Wien.

„Im Zuge eines regelmäßigen Austauschs mit der MAG Elf als einer von vielen Praxisstellen bekommt die FH einerseits von deren Seite und andererseits von Absolventen und Berufseinsteigern Rückmeldungen, welche zukunftsorientierten Qualifikationen die Praxis zusätzlich brauchte.“ Da innerhalb der Wiener Kinder- und Jugendhilfe in den letzten Jahren die Arbeit mit Familien an Bedeutung gewinne, sei die Idee entstanden, gemeinsam einen Masterstudiengang zu den in diesem Berufsfeld auftretenden Problemen zu entwickeln.

Hauptziel des Studiums sei die Stärkung der elterlichen Erziehungskompetenzen in Familien mit möglicher Kindeswohlgefährdung oder bereits erfolgter Fremdunterbringung. „Die Familien sollen so weit gestärkt werden, dass die entsprechende Betreuung durch die Herkunftsfamilie gewährleistet werden kann“, sagt Raab-Steiner. Die sogenannte aufsuchende Familienarbeit erfordere eine Spezialisierung und höhere Qualifikation der Sozialarbeiter. Wichtige Themen seien dabei zum Beispiel sozialtherapeutische Interventionsformen, Kommunikation und Gesprächsführung, diagnostisches Fallverstehen, transkulturelle Arbeit und Präventionsansätze.

Osteopathie: Eine Neuerung ist auch aus Tirol zu vermelden. Der Masterlehrgang Osteopathie an der Fachhochschule Gesundheit Tirol (FHG) kann seit dem Vorjahr erstmals auf eine Akkreditierung bei der deutschen Agentur AHPGS verweisen. Bei seinem Start 2009 wurde das Programm zwar durch den damals zuständigen Fachhochschulrat bewilligt. Eigene Akkreditierungsverfahren sind für Masterlehrgänge in Österreich jedoch nicht vorgesehen.

Aus Gründen der Qualitätssicherung entschloss sich die FHG, mittelfristig sämtliche Masterlehrgänge einem freiwilligen Akkreditierungsverfahren zu unterziehen. Der Osteopathie-Lehrgang stellte sich als erster diesem Prozess und brachte in diesem Sommer das Verfahren nach Vor-Ort-Begutachtung durch die AHPGS und Anpassung einzelner Punkte an deren Wünsche zum positiven Abschluss.

Zielgruppen sind in Österreich und Deutschland neben Ärzten auch Physio- und Ergotherapeuten. Voraussetzung ist zudem, dass sie einen Großteil der Basisausbildung zum Osteopathen abgeschlossen haben.

INFORMATION

Lehrgang „Akademischer Dyskalkulie Therapeut“,UMIT – University for Health Sciences, Medical Informatics and Technology. Zweijähriger Universitätslehrgang. Die Gebühr beträgt 1100 Euro pro Semester, der startende Lehrgang ist aber schon komplett ausgebucht.

www.umit.at

Masterstudium Kinder- und Familienzentrierte Soziale Arbeit

FH Campus Wien (ab Herbst 2016 vorbehaltlich Akkreditierung). Der Studiengang wird zur Hälfte vom Bund und zur Hälfte von der Gemeinde Wien finanziert, sodass für die Studierenden mit Ausnahme des üblichen Semester-Studienbeitrags (363,36 Euro) keine Kosten anfallen.
www.fh-campuswien.ac.at

Masterlehrgang Osteopathie

FHG – Zentrum für Gesundheitsberufe Tirol (FHGesundheit). Der berufsbegleitende Lehrgang dauert fünf Semester (zu jeweils 1750 Euro) und schließt mit dem Titel Master of Science in Osteopathie ab. www.fhg-tirol.ac.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2015)

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