„Chaos im Umweltrecht“

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Normenflut. Beim 20. Umweltrechtstag diskutierten Politiker und Experten über Möglichkeiten, die Regelungsdichte zu verringern.

Linz. Unternehmen leiden zunehmend unter einer vom Umweltschutzgedanken getriebenen Normenflut. „Wir haben bereits ein Chaos im Umweltrecht“, sagte Ferdinand Kerschner, einer der führenden Umweltrechtsexperten Österreichs, vorige Woche bei den 20.Österreichischen Umweltrechtstagen in Linz. „Das Chaos führt auch dazu, dass die Betroffenen vieles davon nicht mehr anwenden oder anwenden können“, so der emeritierte Professor (Universität Linz).

Als Abhilfe empfiehlt Kerschner, weniger auf das Umweltordnungsrecht zu setzen und mehr auf marktwirtschaftliche Instrumente. Während das Ordnungsrecht mit Ge- und Verboten direkt das Verhalten von Unternehmen und Menschen steuern will, tun es rechtliche Rahmenbedingungen für marktwirtschaftliche Instrumente indirekt: indem sie Umweltgüter bewerten und umweltschädigendes Verhalten mit Kosten, umweltfreundliches Verhalten mit Nutzen verbinden. Kerschner hält das für den weitaus effektiveren Ansatz.

Für Alexander Proelß, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Trier und Direktor des Instituts für Technik- und Umweltrecht, geht es hier nicht um ein Entweder-oder. „Nur eine Mischung aus beiden Ansätzen kann die bestmöglichen Resultate liefern“, sagte Proelß bei einer abendlichen Podiumsdiskussion. Beim marktwirtschaftlichen Ansatz komme es vor allem darauf an, wirkliche Anreize zu setzen. „Sonst ist das Ganze vergebliche Liebesmühe.“

Ein auch von Kerschner angesprochenes Negativbeispiel ist der Handel mit Emissionszertifikaten. Er sollte die Treibhausgase reduzieren, hat aber auch dazu geführt, dass umweltschädigende Produktion einfach aus Europa abgesiedelt wird; andererseits habe die konkrete Umsetzung dazu geführt, dass „die Zertifikatspreise im Keller liegen“, so Kerschner zur „Presse“.

Gesetze mit Ablaufdatum

Dass jedoch die Normenflut insbesondere im Umwelt- und Wasserrecht die Wirtschaft bremse, beklagte auch Michael Strugl (VP), Wirtschaftslandesrat in Oberösterreich. Er stellte die Idee der „Sunset legislation“ zur Diskussion: „Man sagt, unsere Gesetze haben ein Ablaufdatum, und nach fünf Jahren sind wir gezwungen zu überprüfen, ob wir sie noch brauchen.“ Das würde den Gesetzgeber zwingen, „ab und zu darüber nachzudenken, ob das alles notwendig ist“. Skeptisch zeigte sich dazu Ulrike Schwarz, Klubchefin der Grünen im oberösterreichischen Landtag. „Betriebe und wir alle brauchen Rechtssicherheit“, so die Abgeordnete. „Wenn ich alle fünf Jahre alles wieder über den Haufen schmeiße, hat das nicht viel Sinn.“ Man denke nur an das Rauchverbot in der Gastronomie.

Ziviltechniker Roland Hohenauer, Präsident des Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverbands, beklagte eine spezielle Normenflut, nämlich in Form der vom Normungsinstitut Austrian Standards erlassenen Normierungen. In seinem Arbeitsgebiet habe es früher pro Jahr fünf oder sechs neue Normen gegeben, heute seien es fast zehnmal so viel. Mathias Tschirf, Leiter der Sektion Unternehmenspolitik im Wirtschaftsministerium, verwies auf das geplante neue Normengesetz. Es soll nicht nur die Transparenz erhöhen und die ministerielle Aufsicht stärken, sondern auch eine Begründung zur Grundvoraussetzung machen, einen Normungsprozess zu starten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2015)

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