Das „ad calendas graecas“ der Nichtlateiner

(C) Greber
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Was dahintersteckt, wenn jemand verspricht, sich um etwas zu kümmern, „sobald er dazu kommt“.

„Wir halten Sie in Evidenz.“ Diese Floskel in Antwortschreiben auf Bewerbungen kennt man schon vom „Leider nicht“ in Brieflosen. Dass der Begriff selbst so gut wie ausschließlich in Schreiben an abgelehnte Bewerber vorkommt, ist evident. Dass er dort überhaupt einen Platz hat, ist wiederum ein österreichisches Spezifikum, abgeleitet vom Evidenzbüro, wie in der österreichisch-ungarischen Monarchie die Zentrale des militärischen Nachrichtendienstes bezeichnet wurde. Und da dieses Büro diverse militärisch relevante Dinge, also solche mit Evidenz, im Auge zu behalten hatte, kam das In-Evidenz-Halten ins österreichische Amtsdeutsch, von wo aus es seinen Siegeslauf in diverse Personalabteilungen des Landes startete. Dass sich hinter der scheinbaren Beachtung des Bewerbers in Wirklichkeit ein „Schmeck's“ verbirgt und die Evidenz im Rundordner landet, ist dann wieder eine andere Geschichte.

Aber eine, die sich auch in anderen Situationen immer wieder findet. Das „Komme gleich“ des Kellners entspricht einem „Natürlich sehe ich, dass du seit fünf Minuten nach mir rufst, aber ich komme jetzt trotzdem nicht zu dir“. Das „Ich werde es mir anschauen“ im Büroalltag ist eine höfliche Umschreibung von „Red es in ein Sackerl“. Und die Floskel „Sobald ich dazu komme“ ist das „ad calendas graecas“ der Nichtlateiner. Im römischen Kalender sind die Kalenden jeweils der erste Tag eines Monats – die Griechen hingegen kannten diese Bezeichnung nicht. Im Englischen wird diese Wendung mit „when pigs fly“ oder „when hell freezes over“ umschrieben. Im Französischen verweist man „à la Saint-Glinglin“ – was wiederum sehr nah am Deutschen ist, in dem man ebenfalls einen fiktiven Heiligen ins Spiel bringt und den Sankt-Nimmerleins-Tag als Zieldatum angibt. Dazu gäbe es noch viel Spannendes zu erzählen– und das werde ich auch tun. Sobald ich dazu komme.

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2015)

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