Flüchtlinge: „500.000 Menschen warten auf die Überfahrt“

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Der Chef der EU-Grenzschutzbehörde Frontex, Fabrice Leggeri, geht davon aus, dass viele Familien noch vor Wintereinbruch nach Griechenland gelangen wollen.

Berlin/Tovarnik/Budapest. Die Zahl der Flüchtlinge, die versuchen, nach Europa zu gelangen, wird nicht zurückgehen. Das stellte nun der Chef der EU-Grenzschutzbehörde Frontex, Fabrice Leggeri, in Interviews mit der deutschen Zeitung „Die Welt“ und dem spanischen Blatt „El Pais“ klar. Laut den Analysen seiner Behörde werden in den kommenden Wochen vor allem Familien mit Kindern jede Chance nutzen, um noch vor Einbruch des Winters nach Europa zu kommen, berichtete der Frontex-Chef. Den Schätzungen zufolge warten an der Westküste der Türkei derzeit bis zu 500.000 Flüchtlinge auf eine Überfahrt nach Griechenland. In den Wintermonaten machen Stürme und Unwetter die Reise in seeuntüchtigen Booten noch gefährlicher, als sie es bereits jetzt ist.

„Der Zustrom bleibt weiterhin hoch“

„Die Geschwindigkeit und Dynamik des Flüchtlingszustroms bleibt weiterhin außergewöhnlich hoch“, sagte Frontex-Chef Leggeri. Die Ereignisse der vergangenen Monate hätten vor Augen geführt, „dass wir dringend zu einem einheitlichen europäischen Grenzmanagement finden müssen“.

Unterdessen überquerten auch am Montag wieder zahlreiche Flüchtlinge die ungarisch-österreichische Grenze: Nach Polizeiangaben vom Montag passierten seit Mitternacht rund 5000 Menschen die Grenze in Nickelsdorf. Die Polizei rechnete damit, dass im Laufe des Tages noch weitere tausende Flüchtlinge über die Grenze kommen würden. Insgesamt wurden aber weniger Menschen als am Sonntag erwartet, als etwa 10.700 Flüchtlinge bei Nickelsdorf von Ungarn ankamen. Bei Heiligenkreuz, dem zweiten wichtigen Übergang zu Ungarn, blieb die Lage bis Montagnachmittag zunächst weitgehend ruhig. Nur etwa 150 Flüchtlingen gelangten hier bis zu diesem Zeitpunkt nach Österreich.

In Bad Radkersburg an der steirisch-slowenischen Grenze überschritten am Montagnachmittag rund 400 Flüchtlinge die Grenze über die Mur. Die Menschen wurden in Bussen abgeholt und nach Graz in ein Transitquartier im ehemaligen Euroshopping-Center in Graz-Webling gebracht.

Nachdem die ungarischen Behörden an der ungarisch-serbischen Grenze einen drei Meter hohen Zaun errichtet hatten, waren bereits Ende vergangener Woche zahlreiche Flüchtlinge auf einer neuen Route Richtung Österreich und Deutschland aufgebrochen. Der Weg führt nun von Serbien zunächst nach Kroatien. Ein Teil der Flüchtlinge wurde von dort nach Ungarn und weiter ins Burgenland gebracht. Ein anderer Teil der Menschen versucht, sich von Kroatien nach Slowenien und dann nach Österreich durchzuschlagen.

Orbán: „Zäune sind die Lösung“

Ungarns Premier Viktor Orbán verteidigte unterdessen in einer Rede im ungarischen Parlament seine rigide Flüchtlingspolitik: „Viele sagen, dass Zäune keine gute Lösung seien, weil dann alle einen Zaun bauen müssten. Aber genau das ist die Lösung“, erklärte Orbán. Der Premier warnte vor einer angeblichen „Bedrohung“ durch Einwanderung in die EU. „Wir werden überrannt“, sagte Orbán. Die Einwanderer würden „nicht mehr nur an die Tür hämmern, sondern diese eindrücken“. (APA/AFP/Reuters)

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2015)

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