Verbalangriff: Ohnmächtiger Zorn über Grafs Attacke

Martin Graf.
Martin Graf.(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Der Dritte Nationalratspräsident über Ariel Muzicant, den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde: „Ziehvater des antifaschistischen Linksterrorismus“. Kanzler Faymann und Teile der ÖVP fordern Graf zum Rücktritt auf.

Die Empörung über den Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf (FPÖ) erreichte am Mittwoch einen neuen Höhepunkt. Schuld daran war Graf selbst. Denn er hatte über den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Ariel Muzicant, gemeint, dass sich „schon viele Bürger fragen, ob er nicht als Ziehvater des antifaschistischen Linksterrorismus“ bezeichnet werden sollte. Zunächst am 21. Mai im FPÖ-Parteiblatt „Neue Freie Zeitung“ und schließlich auch auf Grafs Homepage.


In den anderen Parteien formierte sich eine breite Phalanx gegen den FPÖ-Politiker: Bundeskanzler Werner Faymann, Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP), der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) und selbst Josef Cap, der Grafs Wahl 2008 verteidigt hatte, forderten ihn zum Rücktritt auf. Der SPÖ-Klubobmann verwies nunmehr auf das Strafgesetzbuch, das die Verächtlichmachung von Religionsgemeinschaften unter Strafe stelle.


Es ist, genau genommen, das vierte Mal, dass Graf das öffentliche Österreich in eine Debatte darüber stürzt, was sein darf und was nicht. Dass er (nach wie vor) Mitglied der rechtsextremen Burschenschaft „Olympia“ ist, war für die Grünen und Teile der SPÖ Grund genug, ihn nicht in dieses Amt zu wählen. Heuer im Jänner flogen zwei parlamentarische Mitarbeiter aus seinem Büro auf, die einschlägige Artikel beim rechtsextremen deutschen „Aufruhr“-Versand bestellt haben sollen. Mitte April stand Graf dann im Kreuzfeuer der Kritik, weil er mit Walter Marinovic einen Gastredner ins Parlament geladen hatte, dem das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes „keine Berührungsängste zum Neonazismus“ attestiert.


Diesmal war der Impuls von Muzicant höchstpersönlich ausgegangen. Er hatte die Regierungsspitze, das Parlamentspräsidium und die Klubchefs von SPÖ, ÖVP und Grünen via E-Mail auf den Text aufmerksam gemacht. Passagen dieser Art verfasse Graf „wohlweislich unter dem Mantel der Immunität“, monierte der Chef der Kultusgemeinde und fragte, „was ein Präsident des Nationalrats noch alles tun und sagen kann, bevor unmissverständliche Konsequenzen gesetzt werden“.

Prammer will Geschäftsordnung ändern


Über Grafs Motive kann allenfalls gemutmaßt werden. Wahrscheinlich ist, dass es sich um eine Art Racheakt handelt, zumal Muzicant seinerseits auch nicht zimperlich im Umgang mit der FPÖ ist. In der „Presse am Sonntag“ vom 17. Mai unterstellte er ihr, dass sie „systematisch“ den Boden für Rechtsextremismus in Österreich aufbereite. Muzicant sagte: Wenn er Herbert Kickl, dem Generalsekretär, so zuhöre, „erinnert mich dieses Gehetze und die Sprache an Joseph Goebbels.“ Und Graf hätte niemals in dieses Amt gewählt werden dürfen.


Dass er nun des Amtes enthoben wird, ist schier unmöglich. Faktisch nämlich könne ein Präsident nur dann abgewählt werden, wenn ihm entweder schwere rechtliche Verfehlungen zur Last gelegt werden – oder wenn er sein Amt über einen längeren Zeitraum nicht entsprechend ausübe, sagt der Verfassungsjurist Werner Zögernitz, Experte in Fragen der Nationalratsgeschäftsordnung, im „Presse“-Gespräch. Beides trifft auf Graf nicht zu, was bedeutet, dass nur eine Möglichkeit bleibt: „Er verzichtet freiwillig auf das Amt.“


Doch so lange will Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) nicht mehr warten. Sie schlägt eine Änderung der Geschäftsordnung vor, die eine Präsidentenabwahl ermöglicht. Anlassgesetzgebung? „Manchmal“, sagt Prammer, „braucht man Anlässe, um klüger zu werden.“ ÖVP und BZÖ haben allerdings bereits einen neuen Modus abgelehnt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2009)

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